Cannes 2015
Cannes 2015 - Tag 6

Cannes 2015 - Tag 6

Triste Arbeitslosigkeit, die Emotionen eines Kindes und ein weiterer gescheiterter Versuch „Carol“ anzuschauen.
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von (LeanderCaine)
Soll ich nun früh aufstehen oder nicht? Nach meinen Erfahrungen unseres ersten Tages in Cannes wollte ich dann doch auf sicher gehen und bin nach langer Zeit wieder eine 8:30-Uhr-Vorstellung ins Grand Théâtre Lumière gegangen.

Zu sehen gab es für mich meinen ersten Wettbewerbsbeitrag „Der Wert des Menschen“ mit Vincent Lindon in der Hauptrolle. Obwohl mit der Schauspieler wie ein französischer Sean Connery vorkam, bin ich erst beim Lesen des Abspanns draufgekommen, wer das ist. Ende der 80er hat in einem bekannten dritten Teil mitgespielt – in „La Boum“. Aus dem Studentenalter ist er längst heraus und spielt jetzt als über 50-Jähriger in Stephane Brizes Film zu Anfang einen verzweifelten Arbeitslosen, der danach Gott sei Dank eine Beschäftigung findet und diese um jeden Preis behalten möchte. Nach dem „Gesetz des Marktes“ – so könnte die Übersetzung ins Deutsche lauten – fand die Uraufführung von „Alles steht Kopf“ statt. Dabei handelt es sich um das neueste Meisterwerk aus dem Hause Disney/Pixar. Applaus gab es am Anfang und am Ende! Der kreative Ansatz einen Film aus der Sicht von fünf Emotionen zu zeigen ist ein weiterer Beweis der Einzigartigkeit und der phantastischen Erzählung der Pixar-Masterminds. Es ist mir wieder bewusst geworden wie toll es ist, wenn Zuschauer – in diesem Fall Kritiker – ihre Begeisterung und den Respekt zum Ausdruck bringen. Im Abspann gibt es noch einen Wunsch der Filmemacher: „Wir möchten nicht, dass unsere Kinder erwachsen werden“. Ich verstehe, dass damit gemeint ist, dass man auch im Erwachsenenalter die Freude und die grenzenlose Phantasie aufrechterhalten möge.

Nachdem ich die sensationellen Bewertungen der Branchenbibel „Screen“ zum Überflieger „Carol“ mit Cate Blanchett und Rooney Mara gelesen hatte, peilte ich einen lupenreinen Hattrick an – drei Filme hintereinander anschauen! Fünf Mal „Excellent“ und fünf Mal „Good“ und somit ein Schnitt von 3,5 gibt’s definitiv nicht alle Tage. Im Vergleich dazu hier zur Information die Bewertung am anderen Ende der Skala für „The Sea of Trees“ mit vier Mal „Bad“ und sechs Mal „Poor“ und einem höchst miserablen Schnitt von 0,6. Auf der Suche nach „Salle Du Soixantième“ ließ ich wertvolle Zeit verstreichen, so dass ich wieder vor geschlossenen Toren stand …

In der Sektion „Un Certain Regard“ präsentierten zwei Größen des asiatischen Kinos ihre neuesten Werke. Den Anfang machte für Patrick heute der Film „Cemetery of Splendour“ von Apichatpong Weerasethakul. Und da der bereits mehrfach an der Croisette ausgezeichnete thailändische Künstler bei jedem seiner Besuche zu den Kritikerlieblingen in Cannes gehörte, erntete auch dieser atmosphärisch beeindruckende Film frenetischen Applaus - auch wenn es sich auch hier um keinen leicht anzusehenden Film handelt, durchaus zurecht. Zudem gab es heute eine Zusatzvorstellung von Kiyoshi Kurosawas „Journey to the Shore“, der in den Tagen davor durchwegs positiv von der Kritik aufgenommen wurde.

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Der Autor
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LeanderCaine

Forum

  • flatgate

    habt ihr eigentlich was davon mitgekriegt, dass mehrere damen wegen ihres zu flachen schuhwerks am besuch der carol-vorstellung gehindert wurden? das hat sogar bis zu CNN wellen der empörung geschlagen...
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    20.05.2015, 00:43 Uhr
    • Chic

      So etwas gibt es wohl nur in Cannes. Da lobe ich mir die Gelassenheit der Berlinale, wenngleich es im Februar natürlich kälter ist und man tendenziell mehr Kleidung braucht. Pixar ist wirklich etwas Besonderes - ich freue mich schon auf den Film!
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      20.05.2015, 08:58 Uhr
    • High Heels or not?

      Ein kleines Skandälchen ist dank der Filmzeitschrift SCREEN nun auch bekannt geworden, nämlich dass Frauen in Stöckelschuhen zu den Premieren erscheinen müssen. Oder in anderen Worten: Flache Schuhe sind verboten. Obwohl sich Festivalleiter Thierry Fremaux bei einem Abendessen im Carlton-Hotel für den Übereifer entschuldigt hat, greift eine Welle der Entrüstung um sich. Ich für mich bin bereit in High-Heels zu investieren, wenn ich damit bessere Chancen habe in die Pressevorstellungen hinein zu kommen ;-) Deal – or not?
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      21.05.2015, 10:49 Uhr
    • no deal!

      es ist in der tat nur ein kleines skandälchen, gemessen an den echten problemen der welt, dennoch hat der shitstorm, der über die festivalleitung eingebrochen ist, seine berechtigung: abgewiesen wurde ja nicht aus möglicherweise olfaktorischen gründen (bei 2400 zusehern im saal durchaus denkbar), sondern mit dem zentimetermaß – selbst die ehefrau von regisseur kapadia, in cannes wegen seiner doku über amy winehouse mit dabei, bekam zugangsprobleme, anderen besucherinnen, die aus medizinischen gründen keine high-heels tragen (dürfen), wurde der zugang tatsächlich verwehrt.

      mir ist schon klar, dass die modeaffinen franzosen dem red-carpet-schaulaufen der oscar-gala ihrem kulturfeind USA nicht nachstehen wollen – aber wo soll das noch enden? wird demnächst das dekolleté vermessen, das gesicht auf faltenfreiheit untersucht? eine denkbar schlechte propaganda für die festivalleitung, die gerade heuer versuchte, den eklatanten frauenmangel unter den regisseuren vergessen zu machen, und noch dazu bei einem film über... frauen. anstatt sich in vorauseilendem gehorsam high heels zuzulegen oder kleine witze darüber zu reißen, wäre ein boykott angesagt – bis es wieder um filme geht, und nicht um schuhe.

      wie habt ihre eigentlich davon erfahren – aus der presse, oder wurde darüber geredet?
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      21.05.2015, 21:34 Uhr
    • Absolut richtig

      Natürlich ist ein High-Heels-Muss abzulehnen. Ist auch meiner Meinung nach dumm. Bin mir aber gar nicht sicher, ob diese Provokation absichtlich herbeigeführt wurde ...
      Ich habe von diesem Skandal aus den Medien erfahren.
      leandercaine_0fc45209c9.jpg
      21.05.2015, 21:45 Uhr
    • danke

      wär ja noch schlimmer (weil dumm), wenn das eine absichtliche provokation gewesen wäre – aber ganz aus dem nichts wird wohl kein ballerina-verbot am eingang ausgesprochen, und die festivalleitung muss dafür natürlich grade stehen. jedenfalls interessant zu sehen, wieviel man verpasst, auch wenn man mitten im geschehen ist...
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      21.05.2015, 22:03 Uhr
  • zusatzvorstellung

    kurosawa kiyoshi war ja schon 2008 mit seinem tokyo sonata in cannes erfolgreich (preis der "un certain regard"-schiene), und ich nehme an die zusatzvorstellung ist den positiven kritiken zu verdanken – habt ihr vor ihn euch anzuschauen? ich wäre auf eure kritik gespannt...
    r2pi_f4e09adb6c.jpg
    19.05.2015, 23:03 Uhr