Bei der Golden Globe Verleihung vor zwei Wochen war Schauspieler Kevin Spacey zum achten Mal nominiert – und zum ersten Mal gelang es ihm, die Trophäe dann auch tatsächlich mit nachhause zu nehmen. Die Auszeichnung bekam er für seine Rolle als egomanischer Politiker Francis Underwood in der Netflix-Serie „House of Cards“ und wie schon bei seiner Rede anlässlich des Oscars für „American Beauty“ schlüpfte Spacey kurz in seine Serien-Persona und verkündete doppeldeutig: „This is just the beginning of my revenge!“
Francis Underwood ist eine jener Serien-Protagonisten, die der Zuseher, sobald er sie einmal kennengelernt hat, nie wieder vergessen kann. Dafür legt schon die allerersten Szene der Serie den Grundstein, in der sein Umgang mit dem lebensgefährlich verletzten Hund seiner Nachbarn schon eine ganze Menge über seinen Charakter erzählt. Kongressabgeordneter Underwood steht hier kurz davor, nach der Wahl „seines“ Präsidenten, in den Stand des Außenministers gehoben zu werden. Doch er wird überraschenderweise übergangen, weil man seine Fähigkeit, die Dinge am Laufen zu halten, weiterhin im Kongress braucht. Ein schwerer Fehler der eigenen Partei. Denn Underwood kennt die Mechanismen der politischen Inszenierung wie kein Zweiter, und schreckt weder vor Intrigen noch Manipulation zurück. Bisher galt das für den politischen Gegner. Doch nachdem er ausgebootet wurde, hat er keine Skrupel, seine Fähigkeiten auch gegen die eigenen Parteifreunde einzusetzen…
Protagonisten wie Underwood brauchen Darsteller mit ganz besonderen Fähigkeiten. Zu schnell kann sonst ein Charakter wie dieser zu einer bloßen Parodie verkommen, die sehr eindimensional verachtens- und verurteilenswert zu sein scheint. Spacey hatte knapp vor Drehstart sehr lange Shakespeares mörderischen Richard den Dritten gespielt, sein Underwood ist vor allem eines: enorm faszinierend. Nur deshalb, weil er höflich ist und zuvorkommend, kultiviert, belesen und charismatisch, schafft er es, seine Umgebung für sich einzunehmen. Und in weiterer Folge: für sich arbeiten zu lassen. Fast wie ein Marionettenspieler gelingt es ihm, die Handlungen seiner Mitmenschen zu koordinieren und zu dominieren. Was ihn antreibt, ist übrigens Macht. Er verachtet Menschen, die ihre Jobs des Geldes wegen machen. Geld ist für ihn zweitrangig, denn das schönste Haus wird nach einigen Jahren baufällig. Macht dagegen überdauert die Jahrhunderte. Das Streben nach Macht ist seine große Triebfeder.
„House of Cards“ regt zum Nachdenken an: Underwood hat dieses Spiel schließlich nicht erfunden, sondern spielt nur exzellent nach dessen Regeln. Sind moralische Bedenken in Bezug auf seine Person gerechtfertigt, wenn er die Regeln akzeptiert, anstelle moralisch überlegen zu handeln und dafür vielleicht bald arbeitslos und damit handlungsunfähig zu sein? Spacey selbst bezeichnet seinen Charakter als „effizient“ in dem, was er tut. Und er betont, dass Underwood einer der jüngsten Proponenten einer langen Reihe von Antihelden auf dem Bildschirm ist. Früher, so Spacey, wollten die Produzenten angepasst Sympathieträger mit intakten Familien und komplikationslosen Jobs am Bildschirm etablieren. Diese Zeiten seien vorbei: Charaktere werden komplexer und differenzierter, denn damit könnten sich die Zuschauer identifizieren. Der TV-Bildschirm sei im Übrigen genau das richtige Medium dafür. Mehr als noch Filme schaffen es Serien, diese charakterlichen Entwicklungen aufzuzeichnen und über einen längeren Zeitraum zu begleiten.
Die gesamte dritte Staffel der Serie „House of Cards“ wird am 27. Februar 2015 in den USA via Netflix veröffentlich. Die Zuseher in Deutschland und Österreich müssen dagegen erstmal auf Sky Go oder Sky Online ausweichen – dieser Sender hat hierzulande die Rechte an der Serie.
27. Jänner 2015, 13:02 Uhr
Heidi@Home
Heidi@Home: „This is just the beginning of my revenge“
Kevin Spacey als Francis Underwood in der Netflix-Serie „House of Cards“
von
Heidi Siller (Heidi@Home)
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House of Cards
"House of Cards" steht ganz klar auf meiner Liste! Ich habe bis jetzt nur Positives darüber gehört. Wenn Kevin Spacey mitspielt und auch noch ausgezeichnet wird, spricht das nur dafür. Es wäre ja genial, wenn UNCUT auch Serien in ihr Repertoire aufnehmen würde... aber dann passt leider der Name nicht mehr :-)