Kobergs Klarsicht
Kobergs Klarsicht: Ich muss gar nichts!

Kobergs Klarsicht: Ich muss gar nichts!

Wer hat denn eigentlich alle Filme gesehen, die man gesehen haben muss?
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von (DerKoberg)
Apocalypse Now“? Hab ich nie gesehen. Schon irgendwie peinlich für einen filminteressierten Menschen. Ich kenne die Helikopter, die am Anfang über dem Urwald aufsteigen, aber weiter bin ich noch nie gekommen. Dabei muss man den Film doch wirklich gesehen haben. Andererseits ist das Internet voll mit Listen von Filmen, die man – wer auch immer das dann genau ist – gesehen haben muss. Die IMDb Liste „movies you should see before you die“ umfasst beispielsweise 2268 Filme. Wenn wir jetzt bedenken, dass ich auch Unmengen von Filmen gesehen habe, die man bei Gott nicht gesehen haben muss, dann offenbart sich der Kern des Problems: Es geht sich einfach nicht aus.

In den Diskussionen über eben solche Listen, in die ich in unregelmäßigen Abständen hineinstolpere, vertrete ich stets den Standpunkt, dass das Auswahlkriterium die Präsenz des jeweiligen Films in anderen Erzeugnissen der Popkultur sein sollte. Wer beispielsweise den Satz „Ich bin dein Vater!“ nicht zuordnen kann, dem sind in den letzten Jahrzehnten unzählige Pointen in Filmen, Fernsehserien und Videospielen entgangen. Manchmal muss man aber gar nicht den ganzen Film gesehen haben, um der popkulturelle Relevanz einzelner Szenen gerecht zu werden. „300“ kann sich der geneigte Filmfreund in meinen Augen durchaus ersparen. Aber dem Ausruf „Das ist Sparta!“, bin ich in den letzten Jahren oft genug begegnet, um ihn in meine persönliche Liste von Filmzitaten, die man zuordnen können sollte, aufgenommen zu haben.

Auffallend ist, dass die hier angesprochene Form der Medienkompetenz immer öfter auch vom Popcorn-Kino vorausgesetzt wird. Dass ich mich, um alle Popkultur-Referenzen in Tarantinos Filmen zu entdecken, in einen wandelnden Film- und Musik-Almanach verwandeln müsste, ist hinlänglich bekannt. Dass die Abschlusspointe des „G.I. Joe - Die Abrechnung“-Trailers mir abverlangt, Bruce Willis als omnipräsenten Haudegen des Actionkinos wiederzuerkennen, ist vergleichsweise natürlich Pipifax (Das Wort steht übrigens im Duden.), aber es schlägt in dieselbe Kerbe: Die Filmschaffenden erwarten von uns eine umfangreiche Vorbildung in Sachen Kinogeschichte, auch wenn hier auf ganz unterschiedlichen Stufen des Niveaus agiert wird.
Die Cast von „Spring Breakers“ wirkt weit weniger aufsehenerregend, wenn nicht gesehen wird, dass es lauter unschuldige Mädels aus Disney’s doch recht konservativer Teenie-Star-Fabrikation sind, die sich hier in Bikinis besaufen. Und vor allem die Action-Fortsetzung „The Expendables 2“ hat wohl wenig Reiz, wenn man mit den Darstellern und ihrem bisherigen Oeuvre nicht vertraut ist.

Der Anspruch, all jene Filme zu sehen, die man gesehen haben muss, scheitert demnach nicht nur an der enormen Anzahl bedeutender Filme, sondern auch daran, dass oft der größte Mist durch wiederholte Referenzen an Einfluss gewinnt – Wer hätte gedacht, dass seit ein paar Jahren alle Welt wieder von Chuck Norris spricht?
Und die Moral von der Geschicht? Ich sehe einfach weiterhin, was mir gerade in den Sinn kommt. Und bald einmal hoffentlich auch „Apocalypse Now“.
Der Autor
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DerKoberg


Forum

  • culpa in eligendo

    zieht man als kriterium weniger "präsenz" als "relevanz" heran, dann kann man von den 2268 filmen getrost 2000 streichen - und zum rest gehört "apocalypse now" eindeutig dazu.

    zu coppolas hubschrauberangriff, hinterlegt mit wagners walkürenritt: zum vergleich empfehle ich die berichte der "deutschen wochenschau" (1941-05-30 sieg auf kreta; und 1942-01-21 stuka angriff auf sewastopol) anzuschauen.
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    27.03.2013, 22:37 Uhr
  • Star Wars

    Ich gesteht: „Apocalypse Now“ hab ich auch nicht gesehen.

    Aber wir du richtig sagst sollte man einige Filme schon gesehen haben um die Verweise in anderen Filmen zu verstehen. Ich habe mir zum Beispiel „Spaceballs“ angeschaut, bevor ich „Star Wars“ gesehen habe. Ich fand ihn recht lustig, aber als ich dann das erste mal „Star Wars“ sah, musste ich während dem Film immer wieder lachen, weil ich erst merkte, wie treffend die „Spaceballs“-Gags doch waren.
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    26.03.2013, 21:57 Uhr
  • Das Kunststück ...

    ... eines filmbegeisterten Menschen lautet wohl, in der Gesamtbilanz deutlich mehr Filme gesehen zu haben, von denen man vorher nicht wusste, dass man sie gesehen haben muss als jene Filme, von denen man fälschlicherweise annahm, sie sehen zu müssen. ;-)
    uncut_profilbild_558ce708a7.jpg
    26.03.2013, 18:23 Uhr