Vintage Views
Vintage Views: Stewart vs. Willis

Vintage Views: Stewart vs. Willis

Vintage Views kann sich dieses Jahr nicht entscheiden, welcher Film uns Weihnachten mehr versüßt.
Lieber S.!

Wenn du einen richtigen Weihnachtsfilm sehen möchtest, dann führt an Frank Capras „Ist das Leben nicht schön?“ mit James Stewart kein Weg vorbei, denn er wird dein Herz packen und jene Gefühle reinstecken, die man jemandem für das Fest nur wünschen kann: eine hoffnungsvolle Freude über das Wertvolle in jedem Menschen und die Möglichkeiten zum Guten in einer Gemeinschaft.
Wo andere Komödien und Melodramen nur noch kitschig und peinlich werden, tänzelt dieser Film leichtfüßig durch ein schwieriges Leben, ohne je langweilig oder aufgeblasen zu wirken – manchmal lustig, dann wunderbar romantisch, eindrucksvoll sozialkritisch oder schlicht nur ungerecht und gemein.
George Bailey ist eine Figur, die wir in all ihren Facetten kennenlernen, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Von Kindheit an mit großen Träumen und Ambitionen ausgestattet, die stets seines Mitgefühls und Verantwortungsbewusstseins wegen auf der Strecke bleiben müssen. Gegen seinen Willen übernimmt er das Geschäft des Vaters, um die Kleinstadt im ständigen Konkurrenzkampf mit einem skrupellosen Bankier zu bewahren. Jedes weitere von ihm erbrachte Opfer lässt in ihm zunehmend die Verzweiflung aufkeimen, ein Verlierer zu sein. Von der jüngsten Katastrophe bis zum Selbstmord getrieben, braucht es einen Eingriff seines Schutzengels, um ihm den wahren Wert all seiner Taten deutlich zu machen.
Doch die fantastischen Elemente der Handlung machen die Geschichte nicht zur Farce: Der Film ist stets in alltäglichen Problemen geerdet und alle Menschen in Baileys Welt, die Bewohner jener Ortschaft, die den Mittelpunkt seines Lebens ausmachen, sind scharf gezeichnete, dreidimensionale Personen. Die Lösung seines großen Problems wird dann auch nicht durch Zauberei herbeigeführt, sondern ist die Ernte seiner jahrelangen gutmütigen Arbeit für die Menschen.
Ich kenne kaum ein besseres Beispiel für einen gelungenen Message-Movie. Die Mischung macht’s.

Dein B.


Lieber B.,

Danke für diesen Weihnachtstipp, der ja wahrhaft zu den großen Klassikern dieser Jahreszeit gehört. Mein Dezember-Pflichtfilm ist bereits seit früher Kindheit „Stirb langsam“. Lange habe ich überlegt, wie ich meine (weihnachtliche) Begeisterung zu John McTiernans Action-Spektakel in Worte fassen soll, ohne einfach in einen gewisse Fan-Slang zu fallen („Bruce Willis im Unterhemd. Mit Blut. Gegen deutsche Terroristen. Fuck yeah!“). Deshalb versuche ich nun ein paar deiner Punkte zu „Ist das Leben nicht schön?“ aufzugreifen und sie anhand von „Stirb Langsam“ anzuwenden.
Der erste von dir angesprochene Aspekt, „das Wertvolle in jedem Menschen und die Möglichkeiten zum Guten in einer Gemeinschaft“, ist das genaue Gegenteil bei McTiernan. Es ist ganz klar, wer hier gut (McClane & Al Powell) und wer böse (Hans Gruber und seine Handlanger) ist und dies ändert sich auch nicht. Jedoch ist es so auch in Capras Familienfilm so: Denke an den bösen Großindustriellen Henry Potter.
Deinem Vergleich mit anderen Komödien stimme ich zu, hier ist „It’s A Wonderful Life“ ganz etwas besonders und rutscht nie in die kitschige oder peinlich-melodramatische Richtung ab. Ähnlich „Revolutionäres“ ist bei „Die Hard“ in eben dessen Genre der Fall. „Die Hard“ nimmt, im Gegensatz zu den meisten Actionfilmen zuvor und danach, seine Figuren als Menschen sehr ernst. Die Szene, in der Hans Gruber eine Geisel spielt und damit John McClane (fast) austrickst, ist für mich der zentrale Moment, der „Die Hard“ auch zu einem Drehbuch-Meisterwerk macht. Terroristen sind hier, so wie auch im real life, intelligent und gebildet – und gehen für ihre Ziele eben über Leichen. Protagonist McClane ist zwar keine hochkomplexe Figur, aber in seinen Motivationen schlüssig und in seinem familiären Background sehr interessant. Überhaupt baut der Film sehr viel seiner Spannung auf der Frage auf, ob Gruber herausfinden wird, dass McClanes Frau unter den Geiseln ist. Der Zuschauer zittert darum bis zum Finale – und hofft im Hintergrund auch darauf, dass dieses Ereignis McClane und seine Gattin wieder zueinander führen wird. Und hier wären wir schon beim eigentlichen Thema: dem idealen Weihnachtsfilm.
Ja, der Film spielt zu Weihnachten. Ja, der Soundtrack verwendet Weihnachtslieder leitmotivisch. Und ja, Bruce Willis sprengt einen Plastik-Weihnachtsmann und killt damit einige von Grubers Schergen. Der wahre Weihnachtsaspekt liegt jedoch neben dem Setting in der familienbetonenden Message des Films. Weihnachten ist bei vielen die Chance auf Versöhnung (bevor es im nächsten Jahr dann ohnehin mit Streit oft wieder weitergeht – dies ignorieren die Sequels von „Die Hard“ auch nicht). Von dieser Versöhnung, von dieser Chance die Familie wieder ernst zu nehmen, erzählt auch McTiernans Film.
Gerne würde ich auch auf die hochpolitische Handlung des Films eingehen, dafür müsste ich aber zu weit von dem Weihnachtsthema abschweifen. Deshalb belasse ich es dabei und in diesem Sinne
„Now I have a machine gun – Ho ho ho!“

Dein S.


Forum

  • Weihnachtsfilme

    Das ist eine intessante Auswahl an Weihnachtsfilmen :-)
    Wenn ich auswählen müsste, würde ich mich auch für STIRB LANGSAM entscheiden! Im Dezember 1988 habe ich diesen Film das erste Mal im Kino gesehen ... und wenn er wieder mal im Fernsehen läuft, bleibe ich immer hängen. Auch dieses Jahr war es nicht anders!
    Zu typischen Weihnachtsfilmen würde ich auch die KEVIN-Filme von John Hughes zählen, aber auch TATSÄCHLICH LIEBE!
    leandercaine_0fc45209c9.jpg
    16.12.2011, 16:12 Uhr