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Heidi@Home: Boardwalk Empire

Heidi@Home: Boardwalk Empire

Das nächste große Mafia-Ding in der Serienlandschaft?
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von (Heidi@Home)
Die neue HBO-Serie „Boardwalk Empire“ wurde gerade für fünf Emmys nominiert und soll wohl auch ganz offiziell den Phantomschmerz der verblichenen, grandiosen Mafiaserie „The Sopranos“ lindern. Doch bei näherer Betrachtung gibt es, außer dem Topic Mafia, gar nicht mal so viele Gemeinsamkeiten wie man meinen könnte.

„Die Sopranos“ haben dem filmischen Bild, das man von der Mafia durch Werke wie „The Godfather“, „Goodfellas“ oder „The Untouchables“ im Kopf hat, etwas Neuartiges hinzugefügt, etwas sehr heutiges und aktuelles. Familienvater und Capo Tony Soprano leidet an Angstzuständen und Panikattacken, er begibt sich deshalb in Therapie. Die Serie behandelt das Leben in der Vorstadt, dreht sich um Muttersöhnchen und Tierliebhaber, Nylon-Jogginganzüge und Teenagerprobleme. Während viele Werke, die sich mit der Mafia beschäftigten, auch mystische Verklärung beinhalten, sind die Sopranos geerdet: der Glamour, der Paten und Soldaten oft umgibt, fehlt völlig, die Mafia ist in der schnöden Realität angekommen.

„Boardwalk Empire“ dagegen zeichnet das Bild der Epoche der Prohibition nach. Auch wenn das Intro sehr modern gestaltet ist, geht es um eine vergangene Zeit. Die Hauptfigur Enoch, Nucky, Thompson ist einem damaligen Politiker nachempfunden, es tauchen aber auch tatsächlich existierende Personen wie Al Capone in der Geschichte auf, tatsächliche historische Ereignisse werden eingearbeitet. „Boardwalk Empire“ ist konventionell und unironisch erzählt und widmet sich, wenn man so will, dem großen Ganzen, während „The Sopranos“ eher die Aneinanderreihung von detailverliebten Momenten war.

Am ehesten Parallelen scheint es zu geben, wenn es um die charismatische Hauptfigur geht. Mit Tony Soprano (James Gandolfini) ist es gelungen, eine sehr komplexe Person zu erschaffen: im Grunde ist er als Capo einer Familie zutiefst „böse“ und verantwortlich für viele Morde, die er teilweise auch selbst exekutiert. Dennoch ist Tony ein Sympathieträger, ein humorvoller, behäbiger Mann, der gerne isst, für seine Kinder und Ehefrau da ist und Tieren nichts zuleide tut; bei einer Konfrontation ist er etwa um das Wohl eines anwesenden Hündchens besorgt.

Nucky Thompson, dargestellt von Steve Buscemi (den man bisher von vielen prägnanten Nebenrollen kennt), hat ebenfalls zwei Gesichter: nach außen hin strikter Antialkoholiker und Wohltäter, der als Kämmerer die Geschicke der Stadt leitet, tatsächlich aber auch Pate von Atlantic City, der florierende Geschäfte mit illegalem Alkohol macht. Auch seine Figur zeichnet sich durch Ambivalenzen aus, einerseits ist er ein knallharter Geschäftsmann, der auf Profit aus ist, andererseits hat der kinderlose Witwer ein Herz für die Benachteiligten der Gesellschaft.

Insgesamt steht „Boardwalk Empire“ aber eher in der Tradition der derzeit sehr beliebten Orientierung vieler Serien an historischen Stoffen als in der direkten Nachfolge zu den „Sopranos“.