Berlinale 2011
Berlinale Tag 2

Berlinale Tag 2

Ein Band, sie zu knechten. Oder: Auch Uncut-Profis sind manchmal Menschen.
Wie jedes Jahr im Februar hat sich auch heuer wieder die Gegend rund um den Berliner Potsdamer Platz für knappe zwei Wochen in eine eigene kleine Welt verwandelt - und ihre Einwohnerschaft ist leicht zu erkennen. Denn was in "Avatar" die blaue Haut, ist bei der Berlinale das schwarz-orange Schlüsselband mit dem schicken Scheckkarten-Ausweis, das die Filmfest-Insider auf den ersten Blick vom gemeinen Volk trennt. Man trägt es wie einen Orden um den Hals, locker-lässig an der Gürtelschlaufe oder hip ums Handgelenk und zeigt damit der Welt: Vorsicht, Platz da, ich bin wichtig, ich hab's drauf, ich bin in und drin und oben und dran und überhaupt. Und wer im Wichtigsein auf Nummer Sicher gehen will, hängt sich zusätzlich die blaue Berlinale-Tasche um. So wandelt man arrogant auf den üppig mit Filmplakaten und Lichterketten dekorierten Wegen zwischen den Wolkenkratzern umher, mit der Nase um einige Grade höher als daheim, belächelt milde die oft stundenlang an Hintereingängen auf Stars wartenden Bandlosen (ja, habts ihr denn nichts Besseres zu tun?) und ist mit der Belegschaft von Starbucks und McDonald's bald auf Hallo und Tschüss.

Dass so ein Ausweis aber doch nicht ganz unberührbar macht, wird einem recht schnell klar. Da ist einerseits die eiserne, interne Hackordnung (den Typen mit den riesigen Kameras geht man besser aus dem Weg, die können nämlich ganz schön Rowdy und so) und zweitens das angekündigte Erscheinen eines persönlichen Helden, das die Nase ganz flott wieder in die angemessene Position zwingt und kalten Angstschweiß auf die Stirn zaubert. Im Falle der Unterzeichneten trägt dieser Held den Namen Jeff Bridges, Der Dude, Seine Dudeheit oder El Duderino, wenn Ihnen das mit den Kurznamen nicht so liegt. Allein die Vorstellung, dass Duder und ich in einem Raum sein und dieselbe Luft atmen würden, ließ mich den Abend davor ein Bier mehr trinken und trotzdem schlecht einschlafen.

Am ersten Tag war der Entschluss, auf die erste Vorstellung von „True Grit“ zu verzichten und stattdessen zwei Stunden totzuschlagen um ganz sicher einen guten Platz bei der Pressekonferenz zu erwischen, schnell gefasst. Während also andere Band-Members gemütlich den neuesten Coen-Brothers-Geniestreich genossen, wankte ich durch das Berlinale-Gelände, stand blöd durch die Gegend, lernte aus Mangel an Alternativen ein Kinderfilm-Presseheft nach dem anderen auswendig und behielt die fest verschlossenen Tore zum Konferenzraum fest im Auge. Dazwischen kurz auf eine verbrannte Lippe zu Starbucks gegenüber, eine Zigarette, noch eine, na eine geht noch und - endlich wird's konkret im ersten Stock vom Hyatt. Unter den ersten zwanzig Wahnsinnigen stürme ich den Saal und werfe mich mit letzter Kraft auf einen Platz in Reihe 3, direkt vor dem JEFF BRIDGES-Namensschild. Weitere 50 Minuten später ist er dann da. Und toll. Sollte irgendjemand diese Konferenz zufällig auf diversen Fernsehsendern gesehen haben - ich war die mit dem dämlichen Grinsen.

Die Autorin

Forum

  • Schwer verdauliche Kost

    ...würd ich jetzt weniger Pech als eher Tagesordnung nennen, ist eben einfach Berlinale-Style. Und alles, was witzig oder sonstwie positiv angehaucht ist, trägt das Prädikat "außer Konkurrenz"... Aber bisher bin ich immer brav sitzen geblieben :-)
    13.02.2011, 00:38 Uhr
  • Margin Call

    So einen Auftakt hätte sich HARRY POTTER wohl auch gewünscht ;-)
    Was mir an seiner Berichterstattung immer in Erinnerung bleiben wird, war das Pech meist "schwer verdauliche Filme" gesehen zu haben ...
    Ratschlag: Wenn ein Film wirklich am Nervenkostüm zerrt, einfach rausgehen :D
    Harry und ich haben das auch 1x gemacht!
    leandercaine_0fc45209c9.jpg
    12.02.2011, 18:41 Uhr