Viennale
Viennale '10: Bowling for Rock’n’Roll

Viennale '10: Bowling for Rock’n’Roll

Am ersten Viennale-Wochenende gab es auch eine erkleckliche Anzahl an Musikdokus. Über Sinn und Unsinn, sich diese zu Gemüte zu führen.
Wenn die White Stripes beschließen, Kanada besser kennen lernen zu wollen, dann tun sie das gleich besonders ausgiebig. Soll heißen, sie spielen nicht nur Shows im entlegenen Norden, sondern mischen sich auch unters Volk. Sei es im öffentlichen Autobus, in Lokalen vor einer Handvoll Leuten oder im Bowling Center. Mit umgehängter Gitarre die Kugel zu schmettern, steht einem Rock Star auch besonders gut zu Gesicht. Und besteht die Mini Show auch nur aus einer gespielten Note, so freut sich der wahre Fan trotzdem. Sehenswert ist die Road-Movie-Tour-Doku „The White Stripes Under Great White Northern Lights“ trotzdem: Zum einen durch die Dialoge zwischen Meg und Jack White, die mit dem Verdacht aufräumen, bei den White Stripes handle es sich um eine seelenlose Konzeptband. Und auch die Aufnahmen aus dem Land des Ahornblattes bestechen mit grobkörniger Schönheit.

Während die White Stripes auch dem Nicht-Fan Mehrwert bieten, fällt „Stones in Exile“ mehr in die Kategorie Legendenbildung.
Stephen Kijak dokumentiert die Arbeit von Mick, Keith & Co. am legendären Album „Exile on Main Street“. Als britische Steuerflüchtlinge mieteten sie sich in einer südfranzösischen Villa ein, um hier Anfang der 1970er-Jahre doch wieder ausgiebig dem gewohnten Rock Star-Lifestyle zu frönen. Kijak legt den Film sehr konventionell an: Musikerkollegen und Freunde wie Jack White und Martin Scorsese dürfen zu Beginn mit Wortspenden die unpackbare Bedeutung der Stones unterstreichen. Darauf folgt eine Ansammlung von Erinnerungsfetzen an die gute alte Zeit. Sehr stark ist natürlich die Musik. Trotzdem eher nur für Fans und Nostalgiker.

Nostalgie spielt auch in Vikram Jayantis Film „The Agony and the Ecstasy of Phil Spector“ über den Komponisten und Produzenten Phil Spector eine große Rolle. Spector, der medienscheue Bad Boy der Musikindustrie, gab dem Regisseur vor seinem Mordprozess ein langes Interview, fast möchte man von einer Lebensbeichte sprechen. Durchaus launig erzählt Spector von seinem Vater, seinen Hits, seiner Einsamkeit. Den Wahnsinn, der in ihm auch zu wüten scheint, kann man nur erahnen. Und hier liegt auch der kleine Haken des äußerst unterhaltsamen Films. Die Mischung aus Interview, alten Musikvideos und unkommentierten Aufnahmen des Prozesses wirken wie ein Plädoyer für einen womöglich zu Unrecht Verurteilten. Im Publikumsgespräch nach der Viennale-Vorführung relativierte Regisseur Jayanti allerdings – Spector sei ein durchaus gefährlicher Zeitgenosse, der es auch mit der Wahrheit in seinen Anekdoten nicht so ganz genau nehme.
Wie auch immer, Spector wurde wegen Mordes zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine „Wall of Sound“-Hits werden bleiben – sie machen auch nicht zuletzt den Reiz dieses Filmes aus.
Der Autor
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