Berlinale 2010
Interview mit Franziska Weisz

Interview mit Franziska Weisz

Uncut in Gespräch mit der Darstellerin aus „Der Räuber“ und „Renn, wenn Du kannst“.
Uncut: Vielen Dank, Franziska, dass Du uns dieses Interview zwischen allen Deinen Terminen gibst. Es ist ja bereits das zweite Mal, im vergangenen Jahr haben wir uns ja zu Deinen Filmen „Das Vaterspiel“ und „Distanz“ unterhalten. Heuer bist Du wieder mit 2 Filmen hier vertreten, nämlich „Renn, wenn Du kannst“ und „Der Räuber“, der sogar im Wettbewerb vertreten ist.
Franziska Weisz: Ich freue mich, dass wir uns auch heuer wieder treffen.

Uncut: Deine Rollen in „Der Räuber“ und „Distanz“ haben für mich eine gewisse Ähnlichkeit, was die Beziehung der Frauen, die Du spielst zu den jeweiligen Männern betrifft. Beide sind ja wirklich schwierige Typen, hat Dich das an der Rolle gereizt?
Franziska Weisz: Nein, das ist so falsch ausgedrückt. Die Rollen sind völlig gegensätzlich, es sind zwei ganz unterschiedliche Frauen, die jedoch in einer ähnlichen Situation sind. Dadurch, dass sie ein ganz unterschiedliches Naturell haben, gehen sie ganz anders mit der Situation um: Die eine stellt sich dem, was ihr Freund tut, nicht und sagt: „Egal, wir sind zusammen und ich lieb Dich trotzdem, nur bitte höre auf, zu töten. Für mich bist Du kein Mörder, egal, was die anderen behaupten.“ Die andere erkennt, dass er ein Doppelleben führt und sagt: „Es ist an der Zeit, dass Du Dir eine eigene Wohnung suchst.“

Uncut: Könnte man das so zusammenfassen: die junge Frau in „Distanz“ verklärt die Figur ihres Freundes so sehr, dass sie alles nur durch die rote Brille sieht und Erika in „Der Räuber“ führt den Wendepunkt herbei, indem sie ihn an die Polizei verpfeift, weil sie will, dass er sich seiner eigenen Situation stellt und nicht mehr so weitermacht wie bisher?
Franziska Weisz: Ja, genau das ist der Unterschied. Die Frau in „Distanz“ packt auf ihren Freund alle ihre Sehnsüchte und Wunschvorstellungen drauf, Erika in „Der Räuber“ akzeptiert seinen Freiraum und fragt ihn auch nicht, wie sein Tag war, weil sie weiß, dass es sie nichts angeht. Es ist eben nicht dieses gemeinsame Leben, sondern eine gemeinsame Wohnung, aber mit getrennter Privatsphäre, obwohl sie ihn liebt. „Beziehung“ ist überhaupt ein Wort, das ich nicht leiden kann...

Uncut: Beim letzten Jahr hast Du mir erzählt, dass Du für „Renn, wenn Du kannst“ Chello spielen lernen willst. Hat es Dir Spaß gemacht, in dem Film mitzuspielen?
Franziska Weisz: Aber ja! Das war einfach großartig, noch dazu sind die Darsteller im Film meine besten Freunde. Mein Beruf ist für mich wie eine Spielwiese, ich bin dann glücklich, wenn ich drehen darf, bin ich in meinem Element. Wenn das dann auch noch die Menschen sind, mit denen ich auch privat so viel unternehme, war das ein Fest. Dass wir es so gelöst haben, dass man mich im Film nie Chello spielen sieht, war eine Idee des Regisseurs, weil er es witzig fand, einfach zu behaupten, diese Frau wäre ein Genie. Es funktioniert aber trotzdem. Sie ist zwar die Streberin, aber man sieht sie nie spielen. Chellostunden habe ich aber sehr wohl genommen, weil es alleine schon eine Wissenschaft ist, den Bogen richtig zu halten. Mein Chellolehrer hat mir erzählt, es gibt Schülerinnen bzw. Schüler, die im ersten Jahr den Bogen noch verkehrt halten, weil sie sich erst die richtige Haltung einüben müssen, damit dann am Schluss auch ein gleichmäßiger Ton herauskommt. Ich war zuerst frustriert, aber er hat mich dann motiviert.

Uncut: Mit ist aufgefallen, dass Du im Film als Einzige Österreichisch sprechen darfst. Die anderen sind ja alle Deutsche und reden auch Hochdeutsch. War das immer schon so geplant oder steckt da Absicht dahinter?
Franziska Weisz: Ja, das war so gewollt. Ich hatte zuerst vorgehabt, eine Deutsche zu spielen, aber der Regisseur hat mir dann gesagt: „Komm, bitte Franziska, gib uns das Wienerische!“ An den ersten Drehtagen musste er mich sogar immer wieder ermutigen, so richtig derbes Wienerisch zu sprechen. (lacht) Teilweise ist das ja schon richtig prolo-haft. Man wollte, dass ich zu der Streberin Mareike, die immer durchgestylt herumläuft und die „Heimsuchung Annikas“ ist, einen Kontrast herstelle durch diese schon fast proletoide Art, mit der sie spricht.

Uncut: Meine Lieblingsszene, was das betrifft, ist der Anrufbeantworter, wo Du so richtig kernig draufgesprochen hast oder die Szene, in der Du Dir in die Hand schneidest an der zerbrochenen Fensterscheibe. Bei der Pressevorführung haben die Journalisten herzhaft gelacht bei dieser Szene, ich glaube, das ist gut angekommen.
Franziska Weisz: (blickt überrascht) Das ist aber interessant, bei der Premiere hat das Publikum gar nicht darauf reagiert. (schmunzelt)

Uncut: Hat das einen hohen Charmefaktor?

Franziska Weisz: Okay, das freut mich total. Ich muss ehrlich sagen, dass ich selber so viel gelacht habe, als ich den Film gesehen habe. Genau diese Momente waren aber gar nicht so einfach. Gerade bei dieser Anrufbeantworter-Szene, da musste ich das, glaube ich 50x sagen. Immer war es dem Regisseur zu wenig Wienerisch... Beim Fluchen war es das Gleiche... Im Drehbuch stand nur „schneidet sich und flucht“, so, wie das im Film jetzt drinnen ist, habe ich es selber interpretiert und dem Regisseur gefielt es sofort. Die Leute finden diesen Wiener Charme in der Sprache einfach hinreißend, selbst dann, wenn es mir selber schon die Haare aufstellt...

Uncut: „Renn, wenn Du kannst“ wurde in Duisburg gedreht, „Der Räuber“ in Wien. Wie hat es Dir gefallen, wieder einmal mit einem Film nach Wien zu kommen? Du wohnst ja hier in Berlin...
Franziska Weisz: Aber ja, ich mag das, wenn ich auf Reisen bin und woanders hinkomme.

Uncut: Ich nehme an, Du hast sehr viele Termine, vor allem, weil einer der Filme ja im Wettbewerb läuft...
Franziska Weisz: Ja, das geht schon Wochen davor los. Ich bin bis morgen mit Terminen gut eingedeckt, gestern war ja die Premiere, heute abend freu ich mich besonders auf das Abendessen mit dem Kosslick (Dieter Kosslick, der Intendant des Festivals, Anm.), das wird total schön. Ab morgen wird es dann ruhiger.

Uncut: Am Wochenende wird es ja spannend... Theoretisch müsstest Du Dir ja den Samstag Abend freihalten...

Franziska Weisz: Das klingt vielleicht komisch, aber für mich ist Dabeisein alles. 6000 Filme haben sich beworben für die Berlinale, wenn wir da unseren Schnitt ausrechnen, wurden für jeden Film, der genommen wurde, 230 Filme abgelehnt. Wow. Es ist Wahnsinn, dass wir hier sind. Der Film ist ja großartig, deshalb hat es mich nicht überrascht. Benjamin als Regisseur und Andreas... da brauchen wir sowieso nicht reden... Wir haben eine ganz tolle Laune und haben den gestrigen Tag bei allem Stress sehr genossen.

Uncut: Hast Du schon eine Liste mit Filmen, die Du gerne sehen würdest?
Franziska Weisz: Auf jeden Fall den „Jud Süss“, „Shutter Island“ werde ich mir später im normalen Kino ansehen. Eher die Filme, die hier nicht ins Kino kommen werden, wie zum Beispiel diesen norwegischen Film, von dem ich gehört habe...

Uncut: „En ganske Snill Mann“ wurde gestern hier gezeigt und ist wirklich sehenswert, das kann ich nur bestätigen. In der „Perspektive Deutsches Kino“ kann ich Dir auch „Cindy liebt mich nicht“ sehr empfehlen, den ich gestern gesehen habe. Eine schöne Geschichte über zwei Männer, die die gleiche Frau lieben und sich gemeinsam auf die Suche nach ihr machen, als sie plötzlich verschwunden ist....

Franziska Weisz: Das klingt sehr schön, jetzt, wo Du es sagst, hinter Dir auf dem Bildschirm (der ZDF-Lounge, Anm.) läuft gerade der Trailer. Das „Kleine Fernsehspiel“ hat ja auch unseren Film „Renn, wenn Du kannst“ koproduziert, wahrscheinlich deshalb. Danke für den Tipp! Die asiatischen Filme mag ich an sich auch sehr gerne, aber JESUS CHRISTUS! der Eröffnungsfilm heuer war absolut nicht meine Sache...

Uncut: Da warst Du nicht die Einzige... Ich fand ihn auch nicht besonders... einige Kollegen sind bei der Vorstellung rausgegangen und niemand hat applaudiert, als er aus war.
Franziska Weisz: Bei unserem Film war das Feedback ja gottseidank sehr gut. Das kriegt man ja doch mit. Als wir bei der Premiere so tollen Applaus bekommen haben, war das eine unglaubliche Energie, die da zu spüren war. Das zählt für uns, das bleibt.

Uncut: Jetzt noch die Frage, die Dir wahrscheinlich schon viele gestellt haben, mich interessiert’s aber trotzdem: Österreich und die Oscars. Letztes Jahr war ja „Revanche“ nominiert, heuer gibt es mit Michael Haneke zwar einen Österreicher am Regiesessel den Oscar aber gegebenenfalls für Deutschland. Wie siehst Du seine Chancen?
Franziska Weisz: Nun, es sind 5 nominiert. Die Chance ist also 1:5. Ist ein wenig das Gleiche wie unsere Chance auf den Bären. Mal ehrlich: für den Oscar nominiert zu sein ist der Traum für Millionen, das alleine war schon beeindruckend. Wünschen würde ich es beiden, dem Haneke und auch Christoph Waltz, ihre Leistungen waren wirklich beeindruckend, aber es auch noch andere Filme, die ebenfalls sehr gut waren.

Uncut: Stichwort „Andere Filme“: was sind Deine nächsten Projekte?
Franziska Weisz: Meine nächsten sind 3, über die ich noch keine Details verraten kann. Einer davon wird in Münster sein in einem Erstlingsfilm, dann ein TV-Zweiteiler (beide im April) und am Freitag hab ich ein Casting für ein Projekt, das dann im Mai losgeht. Im Herbst geht es dann noch weiter mit einer Hauptrolle.

Uncut: Wir werden also von Dir in den nächsten Monaten noch viel zu sehen bekommen.
Franziska Weisz: Ich hoff’s und mein Bankberater hofft’s auch... (lacht)

Uncut: Bleibst Du bis auf Weiteres hier in Berlin oder möchtest Du wieder nach Wien zurück?
Franziska Weisz: Mich verbindet sehr viel mit dieser Stadt, besonders mein Freundeskreis. Deshalb bleibe ich schon noch eine Weile hier. Ich fühle mich aber immer als Österreicherin mit einem schönen Nest in Wien, sodass ich mich frei bewegen kann. Das ist sehr schön.

Uncut: Wirst Du im März zur Diagonale nach Graz kommen?
Franziska Weisz: Ich komme nach Graz! Ich wurde eingeladen, Details weiß ich aber noch nicht. Ich liebe die Steiermark, ich habe dort auch familiäre Wurzeln und bin sehr gerne in Graz. Eine gute Gelegenheit, wieder einmal hinzufahren.

Uncut: Dann wünschen wir Dir alles Gute für die Berlinale und für Deine nächsten Projekte und ich bedanke mich für das Interview!
Franziska Weisz: Danke Dir, es hat mich sehr gefreut, Dich wiederzusehen und mit Dir zu plaudern. Auch für Deine Arbeit noch viel Spaß hier in Berlin...
(Markus Löhnert im Gespräch mit Franziska Weisz. Berlin, 16. 2. 2010)


Forum

  • Franziska Weisz

    Sie ist soe eine großartige Schauspielerin, ich freu mich schon auf die nächsten filme mit ihr.
    Tolels Interview übrigens :)
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    17.02.2010, 19:28 Uhr