Berlinale 2010
Berlinale 2010 - Tag 5

Berlinale 2010 - Tag 5

Am fünften Tag des Festivals gab es vier neue Filme, drei davon im Wettbewerb, zwei davon waren gut und einer von den guten war aus Österreich.
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von (Harry.Potter)
Steh ich also neulich im Foyer des Berlinale Palastes mehr oder weniger so rum und warte darauf, dass die Internetverbindung wieder funktioniert, kommt da eine in Weiß und für das Wetter verhältnismäßig kühl gekleidete Dame vorbei, die mit ihrem Handy telefoniert und versucht, auf den Stöckeln ihrer Schuhe das Gleichgewicht zu halten. Das Gesicht erkenne ich sofort, sie meines offenbar auch, denn ihr Blick wird fragend und wirkt ein wenig unsicher, verwirrt. Sie legt schließlich auf, ich strecke ihr die Hand entgegen und sage: „Servus, Franziska!“ Sie lächelt und sagt: „Jetzt weiß ich, woher ich Dich kenne: UNCUT aus Graz!“. Wie es scheint, habe ich im vergangenen Jahr mit meinem UNCUT Interview Eindruck bei ihr hinterlassen. Werbung ist alles. Das Interview mit ihr zum neuen österreichischen Festivalbeitrag „Der Räuber“ liefere ich Euch in den nächsten Tagen nach. Der Film, nebenbei bemerkt, ist richtig gut.

Richtig gut war auch der Wettbewerbsfilm aus Norwegen, wo die Sonne im Sommer zeitweise niemals unter und im Winter niemals aufgeht und die Menschen trotzdem noch leben und Filme machen. Sie haben sich aber anscheinend einen ganz besonderen Humor zurechtgelegt, einen kantig geschliffenen, direkten Humor, der so trocken ist wie hier in Berlin das Pilsener herb. Für die Geschichte eines aus dem Knast (ein scheinbar nicht totzukriegendes Thema) entlassenen Ex-Zuhälter-Schlägertyps, der seine weiche Seite entdeckt, weil er erfährt, dass er Großvater wird, eignet sich so ein Humor nicht auf den ersten Blick. Im Falle von „En Ganske Snill Mann“ jedoch funktioniert das perfekt: selten soviel gelacht auf diesem Festival vor lauter bizarr-witzigen Sexszenen und schrägen Figuren, die sich ganz anders aufführen als ihre Kolleginnen und Kollegen aus Filmen von weiter südlich auf dem Globus. Zum ersten Mal gab es heuer „Bravo“-Rufe und tosenden Applaus bei der Pressevorführung. Det är brå, tack.

So richtig schlecht war der Film aus Japan, den man uns heute Nachmittag zumuten wollte. In „Caterpillar“ geht es um einen verkrüppelt aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekehrten, und hoch dekorierten, Soldaten und seine Frau, die sich um ihn kümmern soll und nicht weiß wie. In meiner Rezension könnt ihr alles nachlesen, was ich an dem Film furchtbar fand, spontan fällt mir dazu nur noch ein, man hätte einen Caterpillar nehmen sollen und die Filmrolle gleich auf die Müllhalde kippen, dann hätten wir am Nachmittag Zeit für ein gemütliches Essen gehabt.

Versöhnlich klang mein Berlinale-Tag schließlich aus, als ich mich in die Weltpremiere des ersten Spielfilmes einer deutschen Nachwuchsregisseurin setzte, ohne zu wissen, worum es dabei eigentlich ging. Dem Titel nach zu schließen („Cindy liebt mich nicht“) müsste es etwas mit Liebe und einer Frau namens Cindy zu tun haben und siehe da: so war es auch. Cindy ist aber nicht nur die Frau im Film, sondern irgendwie haben alle Männer irgendwann in ihrem Leben wohl so eine „Cindy“, die sich trotz aller Liebe und Fürsorge rar oder ganz aus dem Staub macht und bei der Aufarbeitung der erlittenen Zurückweisung dabei behilflich sein kann, zu neuen Ufern aufbrechen zu wollen und sich selbst ein wenig besser kennen zu lernen. Und sei es nur um zu wissen, was man will und was nicht.

Ich wünsche mir mehr solche guten Filme wie diesen für die nächsten Tage, soviel steht fest.