Sarajevo Film Festival - Tag 2

Heute früh traf ich mich mit Leander Caine, der gestern Abend in Sarajevo angekommen ist, auf einen Kaffee. Da ich in die Pressevorführung von „Donkey“ leider nicht mehr reinkam, verlängerten wir das Kaffeeplauscherl auf ein Mittagessen und das Mittagessen auf einen Spaziergang.

In medias res ging es dann erst gegen 14:00, als das diesjährige Coffee with... Programm eröffnet wurde. Dabei handelt es sich um eine Art Pressekonferenz, bei der auch nicht-akkreditiertes Publikum teilnehmen und Fragen stellen darf. Letztes Jahr war dieses öffentliche Interview gerade auf Grund prominenter Gäste wie Charlie Kauffman oder Kevin Spacey beliebt. Diesmal wurde es mit dem Autor und Co-Regisseur des gestrigen Eröffnungsfilms, Cristian Mungiu und diversen Teammitgliedern von „Tales From The Golden Age“, eröffnet. Mungiu sprach über die Entwicklung des Films. Die obligatorische Frage nach dem nächsten Projekt wies er zurück und behauptete, dass er davon genauso wenig Ahnung habe wie das Publikum. Er lässe Ideen auf sich zukommen und weiß noch nicht, welches Projekt das nächste sei.

Danach gab es eine offizielle Pressekonferenz, bei der diverse bosnische
Produzenten und Fördergeldgeber (in anderen Worten: Politiker) einen 3,5 Millionen € schweren Vertrag für die Produktion des ersten bosnischen animierten Spielfilms (Titel: „Birds Like Us“) unterzeichneten. Dazu wurden keine Details verraten. Einzig wurde als Startjahr 2012 genannt und ein erster Plakatentwurf präsentiert.
Nach Coffee with... ging es endlich wieder ins Kino: Im kleinen, intimen Meeting Point Cinema wurde die Retrospektive von Jia Zhangkes Werken (kuratiert vom US-Filmkritiker Howard Feinstein) mit zwei frühen Kurzfilmen und seinem ersten Spielfilm „The World“ eröffnet. Zhangkes einzigartige Mischung aus Dokumentarstil und Fiktion beeindruckte das Publikum. Der Regisseur selbst wird am Samstag in Sarajevo eintreffen.

Gleich im Anschluss, im selben Kinosaal, war eine Vorführung vom palästinensischen Film „Laila’s Birthday“ (Regie: Rashid Masharawi). Eine zu simplifizierte filmische Annäherung an den Nahostkonflikt, mit viel Liebe zum Drehbuch jedoch weniger zur Inszenierung gestaltet.

Auch Harry war mittlerweile in Sarajevo angekommen und wir trafen uns nach der Vorführung. Er ging sich bald darauf „A Town Called Panic“ im Meeting Point anschauen, während ich mich auf den Weg zum Open Air Event machte.
Der Open Air Film war heute mit „Zerrissene Umarmungen“ der bisherige Höhepunkt. Pedro Almodóvars Neo-Film-Noir ist zugleich Krimi, Filmzitat, Melodram und schauspielerische Höchstleistung. Die Standing Ovations der über 2.000 Besucher der Vorführung für die beiden anwesenden Hauptdarsteller José Luis Gómez und Lluís Homar waren mehr als wohlverdient.

Es ist spät in der Nacht und ich höre in meinem Hotelzimmer noch immer die feierliche After-Show-Atmosphäre des Festivals. Und bei einem solchen Programm haben das Festival und dessen Besucher auch allen Grund zum Feiern!