Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Von Filmverrückten für Filmverrückte

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2015
    „Ich betrachte das nicht als eine persönliche Auszeichnung, sondern als Auszeichnung für meine Institution“, sagte der 1937 im heutigen Moldawien geborene Naum Kleiman, als er von Dieter Kosslick die Berlinale-Kamera überreicht bekam. Diese Kamera wird jährlich an Personen vergeben, denen sich das Festival besonders verbunden fühlt - oder in diesem Fall eben auch stellvertretend für eine Institution und deren Geschichte. Diese Institution ist das „Musey Kino“, das 1989 von Kleiman gegründet wurde und schnell zu einer der wichtigsten intellektuellen Institutionen Moskaus aufstieg.

    Filmemacherin Tatiana Brandrup folgt in ihrem Dokumentarfilm Kleiman auf einer Reise in seine Erinnerung, in der sich beinahe ein komplettes Jahrhundert russischer Filmgeschichte verdichten. Eine Geschichte, in der natürlich auch Regiegrößen, wie Vertov oder Kleimans persönlicher Freund Eisenstein eine Rolle spielen. Denn immerhin war er der erste Leiter des legendären Eisenstein-Archivs. Sein persönliches Verständnis von Kino und dessen Macht bekommt man natürlich mitgeliefert. „Das Kino hat die Fähigkeit, aus Menschen Bürger zu machen“, sagt er. Er versteht überdies Film als Waffe im Kampf für bessere, offenere Gesellschaften. Kein Wunder, dass seine kulturelle Institution der russischen Obrigkeit stets ein Dorn im Auge war. So wurde das Museum 2006 vom Kulturministerium aus dem eigens für das Museum gerichteten Gebäude verdrängt – Die Institution samt seiner rund 150.000 Filmrollen bestehenden Sammlung waren heimatlos, doch lies sich nicht entmutigen. 2014 wurde schließlich der immer wieder unbequeme Kleiman vom Kulturminister persönlich abgesetzt und durch eine regimetreue Ja-Sagerin ersetzt, woraufhin sämtliche Museumsmitarbeiter demonstrativ ihren Rücktritt einreichten. Diese Umstände machen den Dokumentarfilm zu einem hochpolitischen.

    Zahlreiche Filmausschnitte treten mit dem Gesagten in Beziehung. Sie bebildern, unterstreichen und kommentieren das gesprochene Wort. Darunter befinden sich natürlich jede Menge Klassiker und oft gesehene Szenen. Aber auch andere Mitarbeiter des Museums sowie Journalisten und Künstler werden vor Mikrofon und Kamera gebeten, ihre Eindrücke der Geschichte zu teilen. „Cinema: A Public Affair“ ist somit ein sehr politischer Dokumentarfilm von Cinephilen für Cinephile, der sich gerne in nostalgischer Erinnerung und kleinen Details verliert. Eben Dinge, an denen sich Filmfreunde erfreuen können.
    patzwey_83fc2ada0d.jpg
    (Patrick Zwerger)
    16.02.2015
    20:15 Uhr
    Meine Top-Filme: