Bilder: Sony Pictures Fotos: Sony Pictures
  • Bewertung

    The Voice of Generations

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2015
    Die Regisseurin Marielle Heller ist in der Szene offensichtlich gut integriert. Ihr Mann heißt Jorma Taccone und ist Teil des nicht gerade unbekannten Comedy-Trios Lonely Island. Sie selbst hatte schon Gastauftritte in Serien wie „Chaos City“ mit Charlie Sheen oder Filmen wie „Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones“ mit Liam Neeson. Nun hat sie ihren ersten Spielfilm „Diary of a Teenage Girl“ als Regisseurin und Drehbuchautorin (auf Basis der gleichnamigen Graphic Novel) realisiert und konnte dafür gleich Größen wie Alexander Skarsgård („True Blood“) oder Kristen Wiig („Brautalarm“) gewinnen. Darin geht es um die 15-jährige Minnie (Bel Powley), welche in San Francisco der 70er Jahre lebend mit dem Freund (Skarsgård) ihrer Mutter (Wiig) eine Affäre anfängt.

    Der Film handelt hauptsächlich davon, was die meisten Jugendliche in diesem Alter – egal welchen Geschlechts – interessiert, nämlich Sex (mit allen Problemen und Gefühlen, die damit einher gehen) und dazwischen vielleicht noch Drogen auszuprobieren. Während andere Coming-of-Age-Filme stark die Lebenswelt Schule fokussieren, negiert der Film diese schon fast. Für jene Altersgruppe ist es oft eben nicht der Ort, an dem die interessanten Dinge passieren. So quittiert Minnie in einer Szene die Frage ihres Vaters, wie es denn in der Schule so liefe, folgerichtig kurz und knapp mit: „fine“.

    Die Geschichte, die an und für sich zeitlos ist, wurde, wohl ob des heiklen Themas (ein Mann der „konsensualen“ Geschlechtsverkehr mit einem minderjährigen Mädchen führt), klugerweise in die Post-Hippie-Ära Ende der 1970er gelegt. Die zeitliche Distanz von Filmen, egal ob sie in der Zukunft oder in der Vergangenheit spielen, wirkt wie ein Puffer, um auch gegenwärtige Wahrheiten leichter erzählen zu können. „Diary of a Teenage Girl“ fängt ohnehin mit jeder Szene die Lebenswelt der heranwachsenden Minnie so gleichzeitig authentisch und humorvoll ein, dass einem die Verbindung mit der Gegenwart nicht schwerfällt.

    Ideal fügt sich auch Minnies Hobby – sie ist Comiczeichnerin – in den Film ein. In manchen Momenten von „Diary of a Teenage Girl“ fließen ihre Zeichnungen und Realszenen zusammen und reflektieren die Gefühlswelt der Protagonistin.

    Das Ende hätte allerdings durchaus konsequenter ausfallen können. Der Film versucht aus den Unsinnigkeiten der jugendlichen Gefühlswelt einen Sinn herauszufiltern und gibt ihn durch den Voice-Over Minnies (als letzten Tagebucheintrag) wieder. Schließlich macht man doch als Heranwachsender gerade nicht nur produktive Erfahrungen, welche einem beim weiteren Lebensweg weiterhelfen können. Jedoch: vielleicht manchmal schon.
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    (Josko Boschitz)
    08.02.2015
    10:31 Uhr