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  • Bewertung

    Die Unfassbarkeit des Alleinganges

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2015
    Betrachtet man die Filmographie von Regisseur Oliver Hirschbiegel, dann fällt dabei auf, dass er sich nahezu ausschließlich mit der Aufarbeitung der deutschen Geschichte, speziell der Nazi-Zeit, befasste. Nur einmal gab es einen Ausflug abseits der dunklen Geschichte seiner eigenen Heimat, als er das filmische Portrait von Lady Diana drehte. Aber irgendwie hatte ja selbst dieser Film mit einem schmerzhaften Kapitel der Geschichte Englands zu tun, wenngleich auf einer völlig anders gelagerten Ebene.

    Jetzt ist er wieder zurückgekehrt und kann das machen, was er bis jetzt am besten gemacht hat: zeigen, dass es in den Reihen seiner eigenen Landleute auch solche gab, die bereits früh die schrecklichen Ausmaße dessen begriffen, was da über Deutschland und über ganz Europa hereingebrochen war. Aber nur wenige von ihnen hatten den Mut, etwas zu unternehmen, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, bevor es ihnen als Widerständler vielleicht ohnehin genommen worden wäre. Die Geschichte von Georg Elser ist wohl eine von vielen, sie ist aber deshalb so dramatisch, weil sein Attentat nicht vereitelt wurde, sondern lediglich durch eine Laune des Zufalls seine Wirkung verfehlte: anders als sonst hielt sich Adolf Hitler nicht penibel an seinen Zeitplan, sondern verließ die Veranstaltung im Münchner Bürgerbräu 13 Minuten früher als geplant. Es war der Zufall, der ihm dazwischen pfuschte und es wird ein Gedankenexperiment bleiben, was danach wohl mit Europa geschehen wäre.

    Hirschbiegel lässt sich hier nicht auf dieses Experiment ein, sondern auf die Chronologie der Genese des Attentates und auf die Unfassbarkeit dieses Alleinganges, den die Gestapo bis zum Schluss nicht wahrhaben wollte. Ja, es war wirklich möglich, ohne Hintermänner im Alleingang etwas so Ausgeklügeltes vorzubereiten und durchzuführen. Elser führte den Machthabern vor, dass auch ein noch so ausgefeiltes Sicherheitssystem von einem einzelnen Menschen untergraben werden kann. Niemand ist unverwundbar und es gibt keine vollständige Sicherheit.

    In zahlreichen Rückblenden erzählt der Film die letzten Jahre Georg Elsers vor dem Attentat bis zu seiner Festnahme und Hinrichtung, nur 3 Wochen vor der Befreiung des KZ Dachau, in dem er inhaftiert worden war. Er kontrastiert dabei die Zeiten des Glücks im Leben Georg Elsers, das schon von Anfang an kein reines, unbeschwertes Glück gewesen ist, mit der Zeit der Bedrängnis und dem reifenden Entschluss, etwas zu unternehmen. Christian Friedel überzeugt in der Hauptrolle und macht mit seiner zurückhaltenden Entschlossenheit den Film zu einem glaubwürdigen Zeugnis des Kampfes eines Einzelnen gegen ein übermächtiges System.
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    (Markus Löhnert )
    13.02.2015
    09:03 Uhr
    http://worteverbinden.at
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