Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Geni(t)ales Drama über Genie und Wahnsinn

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2015
    Sergei Eisenstein gehört zu den renommiertesten Filmemachern der Geschichte und wurde v.a. mit seinen Meisterwerken „Panzerkreuzer Potjemkin“ und „Oktober“ weltberühmt. Niemand, der sich wissenschaftlich oder beruflich mit Film beschäftigt, kommt an seinen Werken und an seiner Person vorbei. Neben der Beispielwirkung seiner filmischen Meisterwerke insgesamt, prägte Eisenstein die Entwicklung des Filmes u.a. mit seiner für ihn typischen „Attraktionsmontage“-Schnitttechnik. Dabei werden zur erzählten Handlung schockierende und verstörende Bilder eingefügt, die die sinnliche Stimulanz beim Publikum erhöhen sollen und in Folge über Assoziationsketten vom rein affektiven zum intellektuellen Verständnis des gezeigten weiterführen sollen. Diese Schnitttechnik ist bis heute sehr verbreitet, z.B. besteht Terrence Malicks neuester Film „Knight Of Cups“ aus sehr vielen derart geschnittenen Sequenzen.

    Einer, an dem die Filmwelt auch nicht vorbei kommt, ist der englische Regisseur Peter Greenaway, der sich in seinem neusten Film dieses großen Meisters der Filmwelt angenommen hat. Und wie es so oft im Leben ist, liegen bei den großen Meistern Genie und Wahnsinn sehr eng bei einander. Auch Peter Greenaways Werke sind alles andere als leicht verdauliche, auf den ersten Blick sofort verständliche Kost. Es war wohl vorhersehbar, dass ein explosives und durchgeknalltes Opus entstehen würde, wenn sich Greenaway mit Eisenstein in einem Film verbinden würden. Noch dazu, wo Eisensteins Privatleben eine schier unerschöpfliche Quelle für skandalöse Motive bietet. Wiewohl er lange Zeit mit seiner Frau Pera Ataschewa verheiratet gewesen war, so zählte Sergei Eisenstein doch zu jener Generation von Menschen mit homosexuellen Neigungen, die in ihrem Land großer Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt waren. Besonders auf diesen Aspekt legt Peter Greenaway in seinem filmischen Denkmal den besonderen Schwerpunkt und so schildert er Eisenstein als hedonistischen Verrückten, der sich während der Dreharbeiten zu einem Film in Mexiko hemmungslos allem hin und für alle hergibt, wozu er Gelegenheit bekommt.

    Das Resultat ist – ganz Greenaway – polarisierend und teilweise abstoßend, insgesamt aber mangels einer wirklich interessanten Geschichte relativ bald auch langweilig. Gewiss gibt es zwischendurch die eine oder andere komische Szene und die Kameraführung ist geradezu opulent. So kann man den ganzen Film über in den Bildern schwelgen, voller Opulenz an Farben und nackten Männerkörpern samt deren Genitalien. Das ist aber wohl nicht für alle Filmfreunde gleichermaßen attraktiv, weshalb sich die große Zahl derer, die während der Pressevorführung den Saal verließen, erklären ließe. Sie haben aber gegen Ende eine Szene verpasst, die zu dem Tollsten gehört, was ich an Schnitt seit langem im Kino gesehen habe. Die Provokation ist also durchaus Programm in einem Film eines Regisseurs, der ganz genau weiß, was er will und der methodisch viele Stilelemente aus dem Schaffen von Sergei Eisenstein geradezu als Hommage in seinem eigenen Film verwendet und sogar weiter entwickelt hat.
    uncut_profilbild_558ce708a7.jpg
    (Markus Löhnert )
    11.02.2015
    23:48 Uhr
    http://worteverbinden.at
    Meine Top-Filme: