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    Motivierter aber hektischer Star Wars Ableger

    Exklusiv für Uncut
    Als Disney das Star Wars Universum von George Lucas übernahm war klar, dass die Fans sich auf weitere Abenteuer der Familie Skywalker freuen durften. Star Wars hatte nach den Prequels der frühen 2000er Jahre jedoch ein schweres Erbe anzutreten. Zu kitschig, zu politisch, zu konfus, zu viel CGI, zu schlechte Darsteller: die Fangemeinde hatte wenig Gutes über Episode I-III zu sagen. Auch heute noch kursieren stundenlange Videos auf Youtube, emotionale Blogeinträge und eine verbale Debatte, in denen Filmkritiker und Fans die Trilogie kritisch auseinandernehmen.

    Als Disney und J.J. Abrams 2015 „The Force Awakens“ veröffentlichten war als Zuschauer sofort klar, dass man hier auf Nummer Sicher gegangen war. Fanservice war das Gebot der Stunde. Nicht nur verpflichteten die Produzenten mit Lawrence Kasdan den Drehbuchautor von Imperium und Jedi Ritter (es wird gemeinhin anerkannt, dass die Prequels unter anderem an der schwachen Drehbuchgestaltung von George Lucas litten), Abrams machte im Vorhinein klar, dass man wieder verstärkt mit Stunts und Puppen arbeiten wollte. Das Motto: „Wir machen es so wie damals“. Das Ergebnis war ein safe gehaltener Film. Die Handlung hütete sich davor, allzu sehr eigene Wege einzuschlagen. Kasdan und Abrams schufen ein „A New Hope 2.0“. Ein gut getrickstes, unterhaltsames New Hope mit interessanten Charakteren. Inhaltlich wenig Neues, aber genau das was man sehen wollte. Der Film schlug ein wie eine Bombe.

    Die Ankündigung Disneys, Ableger der Star Wars Story zu produzieren, bedeutete abermals ein Risiko. Hier konnten die Macher nicht auf altbekannte Gesichter vertrauen und eine etablierte Handlung neu interpretieren und weiterspinnen. Die Produzenten und Autoren betraten neues Terrain. Sie mussten eine Nische finden, die interessant genug war, ohne einen Solo, einen Kenobi oder einen Skywalker auszukommen. Die Entscheidung, die Handlung am Todesstern zu orientieren, war wohl ein weiser Entschluss. Der Todesstern fasziniert die Kinogeher auch noch Jahrzehnte nach „A New Hope“. Online-Petitionen fordern den Bau eines solchen, Experten haben errechnet, was der Bau kosten in der realen Welt kosten würde, Physiker erklären, warum eine solche Waffe unmöglich zu schaffen wäre. Die Geschichte wäre auch nah genug an der Original-Trilogie dran, ohne damit zu verschmelzen.

    Die ersten Trailer zu „Rogue One“ schienen vielversprechend. Die Bilder waren düsterer, nicht so kinderfreundlich wie die Originale. Die Raumschiffe wirkten, als würde man wieder kleine Plastikmodelle sehen, die anno 1977 per Stop Motion über den Bildschirm kriechen. Doch die anfängliche Euphorie erhielt einen Dämpfer, als von Seiten Disneys bekannt wurde, dass bei den obligatorischen Reshoots ganze 40 Prozent des Filmes neugedreht werden würden, was in egal welcher Filmproduktion nicht wenig ist. Gerüchte kamen auf, dass die Produzenten den Film zu düster fanden, er solle lustiger werden. Genauso verwunderte es die Fans, dass der Film bis zur Premiere ein Kritiken-Embargo erhielt. Dieses kennt man von jenen Filmen, die sich meistens als schlecht herausstellten. Die Chancen waren somit 50:50, dass „Rogue One“ gut sein würde oder nicht. Im Endeffekt ist es auch genau das, was den Film auszeichnet. Er ist qualitativ irgendwo in der Mitte, nicht schlecht, aber auch nicht herausragend.

    Die Tatsache, dass „Rogue One“ sich von der üblichen Star Wars Saga abheben will, wird schon in der ersten Einstellung klar. Diesmal gibt es keinen langen Introtext, der zu epischer Musik quer durch das Weltall rollt und am Fluchtpunkt verschwindet. Man wird ohne Vorwissen in die Handlung hineingeworfen. Hier beginnt demnach eine der größten Schwächen des Films. Um den fehlenden Vorspann inhaltlich wett zu machen, springt der Film die ersten 20 Minuten von Charakter zu Charakter, von Szene zu Szene, von Planet zu Planet. Die Hauptfiguren werden stakkato mäßig im Sekundentakt eingeführt und zeichnen sich in ihrer Bedeutung für die Handlung nur in ihren Fähigkeiten aus. Hier der Rebellenpilot, dort der Deserteur, dann noch der blinde Nicht-Ganz-Jedi und sein schießender Gefährte, über den man noch weniger weiß. Einzig allein die Hauptfigur Jynn Erso bekommt ein wenig Tiefe, auch wenn ihre Backstory schmerzlich an die von Rey aus Episode VII erinnert.

    Die hektische Einführung aller Schauorte und Figuren, gepaart mit langen Monologen, die als Exposition dienen, lässt den Zuschauer etwas verwirrt und gleichgültig zurück. Die Vermutung, dass hier einiges an Charakterbildung durch die Reshoots verloren gegangen ist, kristallisiert sich vor allem an Forest Whitakers Charakter Saw Gerrera heraus. In den Trailern noch sehr präsent, sind viele dieser Szenen im letzten Cut ganz offensichtlich der Schere zum Opfer gefallen. Seine Rolle im Film wirkt eher wie ein unnötiger Cameo ohne tiefere Relevanz zur Story. Auch Mads Mikkelsens Figur bekommt undankbar wenig Aufmerksamkeit. Allein der Vergleich mit dem ersten internationalen Trailer lässt einen erkennen, wie viele Szenen es nicht in den finalen Film geschafft haben. Wie Rogue One ursprünglich hätte ausschauen sollen, lässt sich wohl nur vermuten, sollte nicht irgendwann einmal das Original-Drehbuch online leaken.

    Im Vergleich mit den 2000er Prequels schafft es der Film jedoch, die politische Achse besser einzubauen als seine Vorgänger. Während die Zuschauer in Episode I sich mit Handelsembargos auseinandersetzen mussten, versteht Rogue One es viel besser, Politik zum Vorantreiben der Handlung zu nutzen, seien es nun die Rebellen oder die Vertreter des Imperiums. Problematischer ist dagegen die viel diskutierte Auferstehung von verstorbenen oder gealterten Darstellern mittels CGI. Ob hier Pietäten verletzt wurden oder Star Wars inzwischen größer und wichtiger ist als die Rechte eines Schauspielers an seinem Gesicht sind wohl Fragen, die sich die Produzenten und Disney in Zukunft noch öfters stellen werden müssen, insbesondere nach Carrie Fishers Tod.

    So gleichgültig und hektisch der Film auch die meiste Zeit dahinplätschert, das Finale macht die Geschichte wieder wett. Hier wird endlich wieder eine Weltraumschlacht geliefert, die nicht einfach nur ein riesiges CGI Feuerwerk ist, sondern der Kampf wird anhand von mehreren Figuren gezeigt, ihren Schachzügen und perfiden Einfällen, die gegnerische Seite zu schwächen. Außerdem bietet der Film wohl die beste Darth Vader Szene seit der Original-Trilogie. Allein für den dritten Akt lohnt es sich daher, den Film anzusehen, selbst wenn man von diesen Figuren und ihrer inhaltlich doch sehr dünnen Geschichte langfristig wenig mitnimmt. Aber darum geht es im Endeffekt. Es ist „A Star Wars Story“. Das Herzstück wird, trotz des finanziellen Erfolges von „Rogue One“ und den unvermeidlichen folgenden Ablegern immer die Skywalker-Saga bleiben.
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    (Susanne Gottlieb)
    07.01.2017
    08:47 Uhr
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