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  • Bewertung

    Der Wal hinter Moby Dick

    Exklusiv für Uncut
    „Moby Dick“ zählt zu den absoluten Klassikern der US-amerikanischen Literaturgeschichte. Freilich basiert Herman Melvilles Geniestreich auf einer „wahren“ Begebenheit. Auf einer Erzählung, die nicht viel mit dem Roman „Moby Dick“ zu tun hat. Außer, dass es sich um eine Abenteuergeschichte auf hoher See handelt in der ein riesiger Wal vorkommt. Genau diese Erzählung verfilmt nun „Überraschungsei-Regisseur“ Ron Howard, bei dem man nie wirklich weiß was man bekommt. In diesem Fall aber: Ein bisschen Spaß, ein bisschen Spannung, viel Verspieltheit, was Romantisches, was zum Staunen und etwas Action – eben wie es sich für einen Blockbuster gehört.

    „Im Herzen der See“ beginnt mit dem ehemaligen Seefahrer Thomas Nickerson (Brendan Gleeson), der vom Schriftsteller Herman Melville (Ben Wishaw) aufgesucht wird. Gleesons Figur hat viel zu erzählen, schweigt zunächst aber. Ein paar Drinks und ein paar Dollar später sitzt seine Zunge schon etwas lockerer: Er erzählt vom nie geklärten Untergang des Walfang-Schiff Essex und wie er damals als Schiffsjunge überlebte. Er beginnt, wo eine Abenteuergeschichte eben beginnt. Die Hauptcharaktere müssen sich emotional aufgebauscht von ihren Liebsten verabschieden. So auch jener Mann, der im Mittelpunkt der Erzählung steht: Chris „Thor“ Hemsworth als muskelbepackter erster Offizier. Ebenso mit an Board ist dessen Kapitän, ein als adeliger Nichtsnutz inszeniertes Greenhorn. Der Konflikt zwischen den beiden steht im Zentrum. Es ist auch ein Kampf der Arbeiter gegen die sogenannte Oberschicht. Wo die Story eher dünn ist, bleibt natürlich umso mehr Platz für Heldentum. Hemsworth verkörpert soetwas wie einen stets in aussichtsloser Position agierenden proletarischen Superhelden. Der Film (oder zumindest Nickersons Erzählung) glorifiziert ihn, während der Kapitän nicht gerade durch seine positiven Eigenschaften in Erscheinung tritt. Stereotype Klischees dominieren. Aber für Charaktertiefe scheint sich Ron Howard hier sowieso nicht zu interessieren. Mittels außergewöhnlicher Inszenierung aufzufallen scheint ihm ebenfalls kein Anliegen zu sein und auch der Handlungsablauf gehört nicht gerade zu den innovativsten der Filmgeschichte: Die Essex sticht in See, alles läuft wunderbar, bis schließlich vieles Schief geht. Trotz Hemsworth' ständiger Leinwandpräsenz wird ihm dennoch die Show gestohlen. Denn der wahre Superheld ist – wie bereits die Filmplakate vermuten lassen – ein mysteriöser Riesenwal, dem es gar nicht zu gefallen scheint, dass die Menschen seine Artgenossen abschlachten. Er agiert als eine Art Rächer der Natur. Die anfängliche pathetisch in Szene gesetzte Romantik des Jagens und die Glorifizierung maskulinen Heldentums wird schlagartig zu Nichte gemacht. Die Momente in denen die Menschen mit der Erhabenheit der See und der eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert werden gehören klar zu den stärksten des Films. Der Mensch sollte sich der Natur niemals überlegen fühlen, so die Botschaft. Visuell sieht das Ganze so aus, wie man es sich von einem Hollywood-Blockbuster aus dem Jahr 2015 erwarten darf. In der Inszenierung von Erhabenem war Hollywood eben schon immer ein Vorzugsschüler. Nur die 3D-Greenbox-Szenen und manche Effekte wirken etwas unausgereift.

    Die eingeschobenen Dialoge zwischen Autor Mellville und Seefahrer Nickerson wollen nicht so recht in den Film passen und erscheinen unnötig. Lediglich der stets großartige Gleeson und die Tatsache, dass so die Konstruiertheit der Geschichte dem Publikum immer wieder ins Gedächtnis gerufen wird, geben diesen Einschüben ihre Daseinsberechtigung. Zudem rechtfertigen sie auch so manche Schwäche im Drehbuch. Trotz aller Kritik ist „Im Herzen der See“ ein nie wirklich langweiliger und somit recht passabler Blockbuster. Nicht mehr und nicht weniger. Oder in anderen Worten: Man bekommt ein bisschen Spaß, ein bisschen Spannung, was Romantisches, was zum Staunen und etwas Action.
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    (Patrick Zwerger)
    05.12.2015
    10:39 Uhr
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