Filmkritik zu Interstellar

Bilder: Warner Bros Fotos: Warner Bros
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    Lost im Wurmloch

    Exklusiv für Uncut
    In einer nicht allzu fernen Zukunft hat der Klimawandel gravierende Formen angenommen: Das Ökosystem ist völlig aus dem Gleichgewicht geraten und durch maßlosen Umgang mit den natürlichen Ressourcen herrscht weltweite Nahrungsmittelknappheit. Für den Fortbestand der Menschheit auf Mutter Erde sieht es dementsprechend wenig rosig aus, denn sie wird für künftige Generationen zum feindlichen Lebensraum. Die Lösung des Dilemmas scheint jedoch gefunden: längst plant die NASA nämlich eine Reise ins Weltall, und zwar durch ein zufällig entdecktes Wurmloch, um in weit entfernten Sonnensystemen einen bewohnbaren Planet aufzuspüren, auf dem sich die Menschheit neu ansiedeln soll. Soweit die Ausgangslage der Geschichte.

    Für den ehemaligen Weltraumpilot Cooper (Matthew McConaughey) entwickelt sich die interstellare Mission bald zu einem Point of no Return: er und ein furchtloses Team aus Wissenschaftlern, darunter die Tochter des NASA-Leiters Dr. Brand (Anne Hathaway) brechen auf - wie man sie im Glauben lässt - um das Überleben der Menschheit sicherzustellen. Coopers primärer Beweggrund sind natürlich seine beiden Kinder, die auf die Wiederkehr des Vaters hoffen. Nur ist eine solche überhaupt realistisch?

    Cineastische Weltuntergangs-Szenarien haben fast immer Blockbusterpotenzial und garantieren so in Zeiten von IMAX-Sälen mitunter reichlich Umsatz an den Kinokassen, das ist kaum ein Geheimnis. Wenn die Welt dann für die Leinwand zu marginal erscheint, weicht man eben auf die unendlichen Weiten des Weltalls aus. Denn in der Schwerelosigkeit führen uns digitale Effekte ihren Daseinsgrund eindringlich vor Augen, wie der heurige Oscarabräumer „Gravity“ eindrucksvoll beweisen konnte. Auf diesen Trend ist nun auch ein ganz Großer aufgesprungen.

    Dass Regie-Genie Christopher Nolan nur zu gut weiß, wie man Filme opernhaft-episch inszeniert, dürfte hinlänglich bekannt sein, wenn man sich etwa „The Dark Knight“ in Erinnerung ruft. Und wie einst wurde das Drehbuch zu „Interstellar“ auch in Kooperation mit seinem Bruder Jonathan verfasst, welcher seit Nolans internationalem Durchbruch „Memento“ an etlichen Filmen mitschrieb. In seiner überwältigenden, knapp 3-stündigen Science-Fiction-Odyssee quer durch den Weltraum und durch komplexe, teils wissenschaftliche, teils philosophische Handlungsstrukturen kann man sich als Zuschauer, speziell im letzten Drittel des Films, kurzzeitig verloren fühlen - fast so wie Astronauten im Wurmloch.

    Nolans intelligentes Erzähluniversum, das charakteristischerweise multiple Ebenen einer Geschichte miteinander verbindet und dadurch den Spannungsbogen steigert, wird in „Interstellar“ extrem auf die Spitze getrieben: es existieren mehrere Dimensionen, fünf um genau zu sein, wo Raum und Zeit relativ sind. Dies macht sich beispielsweise bemerkbar, als Cooper und die Besatzung in entfernten Galaxien nur wenige Stunden verweilen, während auf der Erde Dekaden vergehen. Der Unendlichkeit des Universums wird hier die Endlichkeit der menschlichen Existenz eindrucksvoll gegenübergestellt.

    Die Figuren und deren Gefühle, Sehnsüchte und Hoffnungen sind fassbar und glaubwürdig, zumal sie von einer ganzen Riege an starken Charakterdarstellern verkörpert werden. Allen voran Oscar-Preisträger Matthew McConaughey sowie Anne Hathaway, Jessica Chastain, John Lithgow und Michael Caine plus einem weiteren Star mit Cameo-Auftritt, dessen Name an dieser Stelle aber nicht verraten wird. Weniger plausibel erscheinen nur ein paar Ideen und Bilder, die gegen Ende hin die Story zum Ganzen komplementieren sollen. Mindfuck oder Murphy’s law? Da Coopers Tochter Myrph im Film nach diesem berühmt-berüchtigten Gesetz benannt wurde, welches besagt, dass alles was passieren kann, auch passieren wird - darf diese Frage der eigenen Imagination überlassen werden.
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    (Tasara Weis)
    06.11.2014
    08:58 Uhr
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