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  • Bewertung

    Natürliche Mängel?

    Exklusiv für Uncut
    Ich weiß, mit solchen Aussagen sollte man mit Zurückhaltung umgehen, aber: Paul Thomas Anderson ist zweifellos einer der besten Regisseure seiner Generation. Die Bezeichnung „episch“ ist für seine Filme fast noch untertrieben. 27-jährig brachte er seinen zweiten Spielfilm, nämlich „Boogie Nights“ – der genauso von Martin Scorsese in seinen besten Zeiten hätte stammen können –, in die Kinos. Gefolgt sind nicht minder bescheidenere Werke wie „There Will Be Blood“ oder „The Master“. Für seinen nun siebten Film hat er sich Thomas Pynchons als unverfilmbar geltendenden Roman „Inherent Vice“ ausgesucht.

    Mit der diegetischen Zeit seines neuen Filmes besinnt sich P.T.A. auf „Boogie Nights“ zurück: „Inherent Vice“ spielt nämlich in Los Angeles der 70er Jahre. Auch mit dem Hauptdarsteller Joaquin Phoenix hat er bereits Bekanntschaft gemacht, und zwar in „The Master“. Alles Indizien dafür, dass sein neuestes Werk ein Best-Of darstellen könnte. Phoenix spielt Doc Sportello, einen dauereingerauchten Privatdetektiv, der sich, während er dem neuen Geliebten seiner Ex-Freundin einen Background-Check unterzieht, in gleich mehrere unterschiedliche Fälle verstrickt. Der noir-ige Plot des Films kann beispielsweise mit Polanskis „Chinatown“ verglichen werden, während im Gegensatz dazu die Hauptrolle am ehesten an den Dude (Jeff Bridges) von „Big Lebowski“ erinnert.

    Die meisten Werke P.T. Andersons haben Überlänge, welche aber wie im Flug vergeht. Es folgen oft auch seltsame Szene auf andere, deren einzigartige Klasse man beim ersten Mal Ansehen zumeist gar nicht begreifen kann, die aber insgesamt ein Meisterwerk ergeben. Bei „Inherent Vice“ geht es einem fast umgekehrt. Die einzelnen Szenen sind beeindruckend, doch insgesamt bleibt man bei dem Film am Ende etwas ratlos zurück. Zu einem Großteil hat das wohl mit dem komplexen mäandernden Plot zu tun. So kann es schon einmal passieren, dass man den Faden verliert, während Sportello wieder in das nächste Fettnäpfchen stolpert.

    Was auf jeden Fall attestiert werden kann, ist, dass der Film einen äußerst ausgeprägten Sinn für Humor – auch im Slapstick-artigen Sinn – hat. Alle Akteure von Josh Brolin als aggressiver Cop, über Owen Wilson als Hippie-Informat bis hin zur reichen Staatsanwältin, welche nebenbei mit Sportello eine kleine Affäre führt (Reese Witherspoon), spielen großartig.

    „Inherent Vice“, auch wenn man während des Filmes schon einmal die Uhr begutachtet, ist einer, den man – wie eigentlich alle P.T.A.s – öfters anschauen sollte, um sich ein ganzheitliches Bild zu schaffen. Trotz allem bleibt Andersons neuester einer seiner schwächsten, oder besser gesagt: weniger zugänglichen Filme.
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    (Josko Boschitz)
    05.02.2015
    23:52 Uhr