Filmkritik zu Töchter

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Unentschlossenes Charakter-Drama

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2014
    Agnes (Corinna Kirchhoff), eine Lehrerin aus der hessischen Provinz, muss in einer Leichenhalle in Berlin eine Frau idenzifizieren, die den Ausweis ihrer verschwundenen Tochter bei sich hatte. Glücklicherweise handelt es sich dabei nicht um sie, doch der Ausweis ist die erste Spur seit Wochen. Agnes mietet sich ein Hotelzimmer und fährt Tag und Nacht Obdachlosenheime und Lokale ab. Sie spricht auch mit der Polizei, doch nach wie vor gibt es kein Indiz, wo ihre Tochter sein könnte. Die Begegnung mit der lebensfröhlichen Obdachlosen Ines bringt Agnes auch keine neuen Hinweise, aber die Möglichkeit, für ein paar Tage wieder Mutter zu sein und sich um jemanden zu kümmern.

    
Regisseurin und Autorin Maria Speth („9 Leben“, „Madonnen“) ist stets nah dran an ihren Figuren, das ist auch bei „Töchter“ nicht anders. In wunderschönen Cinemascope-Bildern komponiert, beginnt man als Zuschauer jede Gesichtsregung bei Agnes zu lesen. Voller Geduld betrachtet das Kameraauge diese leidende Frau. Dabei sind die scheinbar leersten Bilder die gehaltsvollsten: Wenn Corinna Kirchhoff in den Badezimmerspiegel schaut und ihre Augen die Sprache durchgemachter und – geweinter Nächte sprechen, braucht es nicht mehr, um das Gefühl zu bekommen, man sehe in die Figur der Agnes gerade hinein. Doch gerade dieser Sog geht im Laufe des Films peu à peu verloren. Nachdem Agnes auf Ines getroffen ist, fühlt sich der weitere Handlungsverlauf aber an wie ein déjà vu: Die Annäherung zwischen den beiden wird in Variationen ausgebaut, die Konflikte in einem Zusammenleben zwischen einer hessischen Lehrerin und einer Berliner Obdachlosen wirken oft zu konstruiert. Je weiter die Handlung fortschreitet, umso unentschlossener fühlt sich der Film an: Es geht weder um die Suche nach der verschwundenen Tochter noch um die Annäherung zwischen Agnes und Ines. Die Unentschlossenheit der Narration manifestiert sich in den letzten paar Bildern des Films, die eine absurde, weil völlig zufällige Wendung beinhalten und zugleich mit fast schon essayistischen Momentaufnahmen gegen Ende versucht, mehr Transzendenz zu behaupten als dem Film gut tut.
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    (Senad Halilbasic)
    11.02.2014
    22:46 Uhr
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