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  • Bewertung

    The man who is tall is happy

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2014
    Von Beginn an stellt Michel Gondry im Off-Text klar: Film ist Manipulation. Jegliche Objektivität, egal wie realitätsnah sie scheinen mag, ist Inszenierung und kommt nur durch die bewusste Entscheidung über Kadrierung und Schnitt zustande. Die Narration in jeglichen Künsten mag oft vermeintlich objektiv scheinen, doch sie ist, selbst wenn nicht- fiktiv, stets eine Perspektive ihres Machers.

    
Warum Gondry dies in seinem dokumentarischen Portrait des US-amerikanischen Linguisten Noam Chomsky zu Beginn des Films stellt, hat vielerlei Gründe: Zum einen erinnert er den Zuschauer daran, dass es hier zwar um Chomsky zu gehen scheint, der gewählte Blick auf ihn jedoch stets der Blickwinkel Gondrys ist. Somit entschärft der Filmemacher von Beginn an die potentielle Kritik daran, warum Chomsky nahezu ausschließlich als Linguist, aber kaum als der politische Aktivist portraitiert wird, der er ist. Zum anderen nimmt Gondry damit viele Gesprächsthemen im Film in gewisser Weise vorweg – denn selbst wenn Chomsky komplexe linguistische Theorien erklärt, während Gondry sie aus einer scheinbar naiven-kindlichen Perspektive visualisiert, sind auch diese nie als in- Stein- gemeißelt zu lesen. Chomskys Sicht auf die Welt und insbesondere auf die Sprachen der Menschheit mag akademisch fundiert sein, ist aber ebenso wie Gondrys Sicht auf das Kino selbstverständlich subjektiv.

    
In einem nahezu 90- minütigen Gespräch erklärt Chomsky gegenüber Gondry und seiner Bolex-Kamera in einfachen Worten so manche Sprachtheorien. Gondry lässt dabei den Sprecher nur selten ins Bild, sondern versucht dessen Erklärungen zu bebildern (selbst dann, wenn Gondry selbst sie nicht versteht). Bäume sprießen aus Gehirnen, aus Hunden werden Kamele, aus Lippen Vaginae. Die handgezeichneten Animationen bieten eine Überraschung nach der anderen, sie scheinen sich spontan an das von Chomsky gesagte anzupassen, so als sei keinerlei Mühe von Nöten gewesen und so als ob die Animationen ein Eigenleben auf der Leinwand entwickeln würden. Dass dem natürlich nicht so ist, erinnert die Off- Stimme von Gondry selbst, die immer wieder seinen langwierigen Arbeitsprozess an diesem Animationsfilm reflektiert. Seine Längen entwickelt der Film nur dann, wenn er sich zu lange an einem Thema aufhält. Unvergesslich bleiben die ganz wenigen Momenten, wo man Chomsky kurz als Privatperson wahrzunehmen scheint, so will er beispielsweise nicht über den Tod seiner Frau sprechen, mit der er bis zu ihrem Tod nahezu fünf Dekaden lang verheiratet war.

    
Tja und nun? Ist der Mann, der groß ist, nun glücklich oder nicht? Um mit Chomsky zu schließen: Es geht nicht um die Antwort, sondern darum, wie man die Frage stellt.
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    (Senad Halilbasic)
    09.02.2014
    10:47 Uhr
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