Filmkritik zu Boyhood

Bilder: Universal Pictures International Fotos: Universal Pictures International
  • Bewertung

    Ein Film wie eine Zeitreise nach vorne

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2014
    Richard Linklater hat mit seinen Filmen bereits mehrmals die Berlinale besucht und sich als Regisseur im In- und Ausland bereits einen Namen gemacht. Sein neuestes Projekt „Boyhood“ besticht jedoch nicht nur durch hervorragend geschriebene Dialoge und einen tollen Cast, sondern auch durch sein bisher noch nie da gewesenes Konzept. Über den Zeitraum von 12 Jahren hat er einmal pro Jahr mit denselben Schauspielern gedreht und dabei jeweils eine gerade aktuelle Situation im Leben der Kinder bzw. Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen eingefangen. Als Zuschauer können wir daher nicht nur höchst authentische und natürliche Stimmungsbilder des Lebens Jugendlicher in den USA erleben, sondern werden auch zu Zeugen der Veränderungen, die ein Mensch im Rahmen seiner Entwicklung äußerlich und innerlich macht. Besonders für jene unter uns, die selber Eltern sind und vielleicht noch kleine Kinder haben wird dieser Film zu einer berührenden, bewegenden, aufwühlenden und äußerst faszinierenden Zeitreise in die Zukunft. Was wird aus den Kleinen werden? Welche Ausbildung werden sie machen? Welche Welt werden sie vorfinden, wenn sie selber Erwachsene sind? Viele dieser Fragen lassen sich aus der Lebensgeschichte der Figuren im Film ablesen und die Botschaft an alle Eltern im Publikum ist eine beruhigende und beklemmende zugleich: nicht alles, was wir momentan schlimm und besorgniserregend finden, ist es auch, aber jedes Versprechen, das wir unseren Kindern geben und jedes Verhalten, das wir selber vorleben, hat einen großen Einfluss auf ihr weiteres Leben, sei es im Positiven oder im Negativen.

    Trotz seiner Laufzeit von 164 Minuten vermittelt Linklaters Film in keiner Minute das Gefühl, so lange zu dauern, so mitreißend und glaubwürdig hat er ihn inszeniert. Es ist unglaublich, wie nahtlos sich die einzelnen Lebensjahre im Film ineinander fügen – teilweise sogar mitten in einer Szene: Mason geht als 14jähriger aus dem Zimmer und kommt als 15jähriger wieder herein. Nur ein Jahr ist vergangen und so viel hat sich verändert und dennoch fühlt sich die ganze Szene wie aus einem Guss an.
    Mit sehr gefühlvollem und wohldosiertem Musikeinsatz verstärkt Linklater so manche Lebensabschnitte, macht davon aber erstaunlich selten Gebrauch, was den authentischen Eindruck des Filmes noch weiter verstärkt.

    Immer wieder wurde bei Filmen von Meisterwerken gesprochen aber auf nur sehr wenige trifft diese Bezeichnung wirklich zu. Wer bisher noch nicht Zeuge eines solchen Filmereignisses geworden ist, hat hiermit endgültig die Gelegenheit dazu. Linklaters Film erweitert die Möglichkeiten der Filmkunst auf eine ganz besondere, wertvolle und zugleich gefühlvolle Weise und wird mit Gewissheit mindestens einen der Preise dieser Berlinale bekommen.
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    (Markus Löhnert )
    14.02.2014
    11:40 Uhr
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