Filmkritik zu Sickfuckpeople

Bilder: Thim Filmverleih Fotos: Thim Filmverleih
  • Bewertung

    Harter Stoff

    Exklusiv für Uncut
    „Sickfuckpeople“ ist ein kleiner, unscheinbarer Dokumentarfilm aus der Ukraine, wurde von der österreichischen Novotny & Novotny Filmproduktion produziert und hat es durchaus in sich. Filmemacher Juri Rechinsky zeigt darin das schockierende Schicksal einer Gruppe drogenabhängiger und obdachloser Jugendlicher in der Ukraine.

    Diese „leben“ in einem verlassenen Keller, ernähren sich von dem was andere wegwerfen und setzen sich regelmäßig einen Schuss, um zumindest für kurze Zeit in Gedanken ihrem Leben zu entrinnen. Sinnbildlich für die Art und Weise, in der sie ihr Dasein fristen ist ein Straßenhund, der ihnen immer wieder Gesellschaft leistet. Denn die Grenze zwischen Mensch und Tier scheint hier bereits seit langer Zeit verschwommen zu sein. Die Kamera unterstreicht diese Entmenschlichung und verstärkt diese auch noch, was teilweise auch durchaus kritisch betrachtet werden kann. Szenen, wie jene in der die Kinder durch ein winziges Loch im Boden aus ihrem Kellerschacht kriechen, um aus ihrer unterirdischen Parallelwelt in die „unsrige“ heraufzusteigen, sind stark stilisiert und sinnbildlich für ihr Leben. Der Tonschnitt, in dem Geräusche noch zusätzlich hervorgehoben werden, düstere Musik, sowie die unerbittliche Kamera, die einfach draufhält, egal was passiert, machen den ersten Teil für den Zuseher beinahe unerträglich. Doch der Film besteht (zum Glück) aus insgesamt drei Teilen. Und so folgen auf „Childhood“ die Kapitel „Mother“ und „Love“.

    Zwei Jahre sind mittlerweile vergangen und aus den Kindern haben sich junge Erwachsene entwickelt. Rechinsky begleitet nun einen von ihnen auf der vergeblichen Suche nach seiner Mutter. Doch diese arbeitet anscheinend wieder als Prostituierte und ist unauffindbar. Wo immer er auch hinkommt stößt er auf Hass und Ablehnung und wird wie ein streunender Köter verjagt. Eine Stärke des Films ist, dass mit dem zweiten Kapitel der Geschichte ein Stilwechsel vollzogen und nun auch versucht wird, in das Innere der Protagonisten zu blicken. Stilisierte Nahaufnahmen von verdreckten Heroinspritzen werden von einer aufreibenden Odyssee abgelöst. An die Stelle des Direct Cinema-Stils von Teil eins tritt nun Cinéma Vérité. Das heißt, dass nun auch der Regisseur stets präsent ist. Denn auch, wenn er so gut wie nie vor der Kamera zu sehen ist, so ist seine Stimme zu hören. Außerdem wird er von den Protagonisten des Öfteren direkt adressiert und lenkt auch indirekt das Geschehen – in wieweit er direkt in die Gestaltung der Szenen eingegriffen hat, kann jedoch nur vermutet werden. Im dritten Part kämpft letztendlich eine junge, drogenabhängige Frau um ihr Baby, während sie sich der Illusion der großen Liebe und dem Trugbild einer rosigen Zukunft hingibt. Von ihrer Schwester und Ärzten wird sie jedoch zur Abtreibung gezwungen. Und auch, wenn diese Geschichte nicht so bildgewaltig ist, wie der Anfang des Films, so ist sie vielleicht dennoch rein psychologisch betrachtet noch aufreibender.

    Man kann durchaus sagen, dass es sich bei „Sickfuckpeople“ um einen der verstörendsten Dokumentarfilme der letzten Jahre handelt, der es durchaus auch vermag die westlichen Kinozuseher zum Nachdenken zu bewegen. Nicht umsonst hat der Film von Juri Rechinski bereits auch einige internationale Preise abräumen können.
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    (Patrick Zwerger)
    16.12.2013
    16:39 Uhr
    Meine Top-Filme:

Sickfuckpeople

Ukraine 2013
Regie: Rechinsky Juri
AT-Start: 13.12.2013