Filmkritik zu Blue Jasmine

Bilder: Warner Bros, Sony Pictures Classics Fotos: Warner Bros, Sony Pictures Classics
  • Bewertung

    Endstation Realität

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der Devise, einen Film pro Jahr zu drehen, ist er seit Jahrzehnten treu geblieben: Woody Allen ist weitaus mehr als nur ein überaus produktiver Filmemacher - er ist eine Ikone seines Metiers; unwillkürlich verbindet man mit den Werken des Stadtneurotikers sofort Schlagwörter wie Ironie, Satire oder schwarzer Humor. Das prägende Thema seiner Geschichten ist seit jeher der turbulente Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau. Seine aktuelle Tragikomödie „Blue Jasmine“ bildet da eine kleine Ausnahme - sie wurde mit einer kräftigen Brise Melancholie gewürzt. Ob es Allen beim Verfassen des Skripts auch ein wenig an Originalität gemangelt hat, bleibt Ansichtssache, aber wem Tennessee Williams Stück „A Streetcar Named Desire“ geläufig ist, wird besonders durch die Konfrontation sozialer Schichten in Form der unterschiedlichen Schwestern daran erinnert.

    Jasmine (überzeugend verkörpert von Cate Blanchett) war einst eine wohlhabende High Society Lady. In wiederkehrenden Rückblenden erfährt man über das Ende ihres bequemen Luxuslebens in Manhattan und die Gründe, welche zum Scheitern ihrer Ehe mit dem zwielichtigen Geschäftsmann Hal (Alec Baldwin) geführt haben. Jasmines Upper-Class-Traum kollidiert nun mit der Realität: psychisch am Ende - die affektierte Fassade hält sie mit Drinks und Tabletten aufrecht - muss sie in das bescheidene Apartment ihrer Adoptivschwester Ginger (Sally Hawkins) ziehen. Louis Vuitton trifft auf Futon. Anstatt sich mit der neuen Lebenssituation im proletarischen Milieu zu arrangieren, ignoriert Jasmine lieber rigoros die ungeschminkte Wahrheit.

    „I hate reality but it's still the best place to get a good steak“ hat Allen einmal gesagt. Hervorgebracht hat er ein schwermütiges Filmdrama, das gar jede Einsicht oder Selbstreflexion der Protagonistin hartnäckig ausklammert. Anstelle dessen tritt Verdrängung zum Selbstschutz vor unangenehmen Ereignissen. Das Schicksal von Blanchetts Figur ist tragisch-komisch und stellenweise bitter, aber gewiss nicht unrealistisch. Man fragt sich vermutlich, warum die Titelheldin - so wie manche Menschen - die Dinge partout nicht wahrhaben will? Die Ursache liegt wohl darin, dass ihr Selbstwertgefühl davon abhängig ist, wie andere sie oberflächlich wahrnehmen. Durch diese Charakterschwäche blendet sie die eigene Umwelt konsequent aus. Sie lügt und belügt sie sich selbst über beide Handlungsebenen des Films hinaus und man beobachtet ein wenig mitleidend, wie ihre Fassade unaufhaltsam bröckelt - bis zum Realitätsverlust.
    t.w._7d88b397be.jpg
    (Tasara Weis)
    10.11.2013
    10:24 Uhr
    Meine Top-Filme: