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  • Bewertung

    Die Macht des Films

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
    Immer wieder erzählen und beschreiben die mittlerweile ergrauten Täter, wie sie während der indonesischen Revolution 1965 über eine Million angebliche Kommunisten gequält und gefoltert haben. Als der Filmemacher Joshua Oppenheimer fast 50 Jahre später ins Land reist, erlebt er die „Killer“ von damals als angesehene Männer und Helden. In den Köpfen der Menschen hat sich hartnäckig ein Revolutionsmythos festgesetzt, der von Heldentaten im Namen der guten Sache erzählt. Mit dem Ziel die Täter zur Einsicht zu bringen, schlägt der amerikanische Filmemacher vor, einen Film über die damaligen Ereignisse zu drehen. Freudig willigen die alten Herren ein, da ja immerhin auch ihre Kinder von ihren Heldentaten erfahren sollen. Noch dazu übernehmen sie auch noch die Hauptrollen, Drehbuch und Regie. Doch anfangs noch von Enthusiasmus durchströmt, werden die alten Herren immer mehr von den Gespenster der Vergangenheit heimgesucht. Und gerade die anfängliche Begeisterung selbst einen Film über ihre „Heldentaten“ drehen zu dürfen, legt das wahre Gesicht eines Gesellschaftssystems offen, in dem Kriminelle als freie Männer glorifiziert werden und eine eigenständig agierende paramilitärische Gruppe große Macht hat. Denn alle beteiligen laufen vor der Kamera des Dokumentarfilmers zu Höchstform aus und beschreiben bis ins kleinste Detail, wie sie die Kommunisten töteten. Dem Kinopublikum lässt diese Grausamkeit das Blut in den Adern gefrieren. Zu entsetzlich und bildlich sind diese Beschreibungen, sodass auch billig gemachte Reenactment-Szenen oft nur schwer zu ertragen sind. Somit ist „The Act of Killing“ ein Film, der einen auch ziemlich mitnimmt und einen auch noch einige Zeit nach dem Kinobesuch nicht los lässt. Dennoch beschlossen die Männer auch zwischendurch immer wieder Bollywoodähnliche Gesangseinlagen zu drehen, was immer wieder für eine Auflockerung der Stimmung sorgt.

    Schnell erkennt man, dass es sich bei der Entstehungsgeschichte dieses Dokumentarfilms um eine ganz besondere handelt, da hier Film als Mittel eingesetzt wird um Menschen zum Umdenken zu bringen bzw. ihre eigene Vergangenheit zu reflektieren. Denn erst durch das Reenactment und das wiederholte Durchleben der Szenen, die nach ihren eigenen Wünschen gestaltet sind, erkennen sie, was sie den Leuten damals angetan haben. Doch der Film erzählt noch viel mehr: Es sind die Hinweise auf das politische System, den krankhaften Revolutionsmythos und die Glorifizierung von Gewalt, die dem Film das gewisse Extra geben. Ein interessantes Detail am Rande ist auch, dass sich die Täter in ihren Tötungsmethoden von Hollywood-Gangsterfilmen inspirieren ließen. Das einzige, was dieses großartige Dokumentarfilmerlebnis etwas trübt ist die Tatsache, dass Oppenheimer zu krampfhaft versucht die Leute, die er von vornherein als kalte Killer abstempelt und sie auch immer wieder so nennt zum Umdenken zu bringen und sie davon zu Überzeugen, dass sie selbst Monster sind. Doch obwohl er dem Kinopublikum die alten Männer als Killer vorführt, steht er ihnen stets respektvoll gegenüber und zeichnet sie auch durchaus sympathisch – es reicht sie einfach reden zu lassen, um dem Publikum den Wahnsinn dieser Welt näher zu bringen.
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    (Patrick Zwerger)
    08.02.2013
    23:55 Uhr
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