Filmkritik zu Harmony Lessons

Konzipiert als Milieustudie unter Jugendbanden auf einer Schule irgendwo in Kasachstan entpuppt sich das Regiedebüt des kasachischen Regisseurs Emir Baigazin als herausragend vielschichtige Betrachtung der Lebensexistenz eines ausgestoßenen jungen Mannes und seiner akuten Persönlichkeitsstörung. Zurückgezogen und wortkarg fristet er sein Dasein als Außenseiter an seiner Schule. Aus den Erfahrungen des ständigen Mobbings und der Frustration, aber auch einer völlig ins Bizarre verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung entsteht in Aslans (Timur Aidarbekov) Kopf die gefährliche Entschlossenheit eines Menschen, der nichts zu verlieren zu haben glaubt. Den Zuschauern bleibt gleich wie ihm so gut wie nichts erspart – von der Schlachtung eines Lammes über die Quälereien der Küchenschaben in seinem Haus, die er an zwei Eidechsen verfüttert, die er in einem Glas hält bis hin zu den teuflischen Vorbereitungen des Mordes an einem Mitschüler, der ihn über Monate hinweg immer wieder gequält, geschlagen und gedemütigt hatte. Zugleich beschreibt der Film auf packende Weise die Lebensumstände in dem abgeschiedenen kleinasiatischen Land voller Armut, Trostlosigkeit und äußerer sowie innerer Kälte, die in ästhetischen und auf befremdliche Weise schönen Bildern dargestellt wird. Die im Titel anklingende Harmonie ist eine trügerische, mit Gewalt aufrecht erhaltene, die sich in der letzten Szene des Filmes schließlich ins Surreale auflöst. Hauptdarsteller Timur Aidarbekov spielt den äußerlich unauffälligen, aber innerlich berechnenden Außenseiter beeindruckend realistisch und hat sich damit wohl eindeutig für einen Darstellerpreis qualifiziert. Vom Regisseur (ein Absolvent des Berlinale Talent Campus) werden wir hoffentlich in Zukunft noch mehr zu sehen bekommen und es wird sich, angesichts dieser herausragenden Leistung, auch gewiss lohnen.