Filmkritik zu Lovelace

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Die Ambivalenz der Bilder

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2013
    Rob Epstein (bekam 1985 einen Oscar für „The Times of Harvey Milk“) und Jeffrey Friedman arbeiten bereits seit Ende der 80er Jahre als Regieduo zusammen und befassen sich in ihren Filmen immer wieder mit dem Thema Sexualität (vor allem Homosexualität). Zuletzt widmeten sie sich beispielsweise der Geschichte des homosexuellen Beat-Generation-Autors Allen Ginsberg mit James Franco in der Hauptrolle („Howl“). Und James Franco ist auch in ihrem neuesten Film wieder mit von der Partie. Allerdings nur in einer kleinen Nebenrolle als Hugh Hefner, den Linda Lovelace während einer Party kennen lernt. Apropos Linda Lovelace: Auch wenn sie nur 17 Tage in der Pornoindustrie verbrachte, zählt sie zu einer der Ikonen der sexuellen Revolution Anfang der 70er Jahre und gilt als jene Pornodarstellerin, die mit ihrem Film „Deap Throat“ Pornos erst Mainstreamfähig machte. Und ihre unglaubliche Geschichte arbeiten Epstein/Friedman in ihrem neuesten Film auf. Das großartige Werk, in dem Amanda Seyfried die Hauptrolle der anfangs sehr schüchternen und streng erzogenen Linda übernimmt, ist dabei zu Beginn scheinbar eine Geschichte über den Glanz eben dieser neuen Sexualität. Das amerikanische Regieduo porträtiert in stark gekörnten Bildern mit wunderschönen Retrolook und natürlich großartiger 60s/70s Musik, den Aufstieg des Stars. Doch „Lovelace“ ist viel mehr, denn plötzlich kippt der Film und die dunklen Hintergründe ihres Aufstiegs treten ans Tageslicht. Was folgt, ist Drehbuchwriting wie es cleverer nicht sein könnte. Von den schauspielerischen Leistungen gar nicht erst zu sprechen. Szenen, die man vorher schon gesehen hat, werden nun aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet und bekommen plötzlich einen ganz anderen Kontext. Und im Kinosaal ist man von dieser plötzlich auftretenden Ambivalenz in den Bildern noch viel mehr betroffen, da man sich ertappt fühlt, sich beim ersten mal sehen eigentlich ganz gut gefühlt zu haben. Der Film ist dabei auch eine wunderbare weibliche/feministische Befreiungsgeschichte. Eine Geschichte einer Frau, die gegen ihre Objektivierung ankämpfen muss. Es ist ein Emanzipationskampf zur Erlangung eigener Souveränität und zur Erlangung einer eigenen Stimme.

    Das geniale an Amanda Seyfrieds performance ist dabei vor allem, dass sie beides verkörpert: sowohl den Glanz des Erfolges, als auch ihr brutales Schicksal voll Unterdrückung und Schmerz. Und beides nimmt man ihr auch zu 100% ab. Auch Peter Sarsgaard liefert mit seiner Interpretation eines brutalen und düsteren Schowinisten und Machotypen eine preisverdächtige Performance. „Lovelace“ ist somit insgesamt ein grandioses Werk voller wichtiger feministischer Züge mit einem unglaublich intelligenten Drehbuch und überzeugenden Schauspielern und Schauspielerinnen (auch Sharon Stone und Robert Patrick, die Lindas Eltern mimen müssen an dieser stelle noch erwähnt werden).
    patzwey_83fc2ada0d.jpg
    (Patrick Zwerger)
    09.02.2013
    23:59 Uhr
    Meine Top-Filme: