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    Alien-Prequel sucht seine Schöpfer

    Exklusiv für Uncut
    In der griechischen Mythologie formte der Titan „Prometheus“die Menschen aus Ton, erweckte sie zum Leben und agierte als ihr Lehrmeister. Diese Figur des Schöpfers findet man jedoch auch in anderen Religionen. So wurde nicht zuletzt auch Adam von Gott aus Lehm geformt. Eine der jüngsten theoretischen Auswüchse dieser Schöpfungstheorien ist die Prä-Astronautik, die sich vor allem bei Science-Fiction Autoren großer Beliebtheit erfreut und besagt, dass vor langer Zeit Aliens auf die Erde kamen und die Menschen erschufen. Auch Ridley Scott widmet sich in seinem „Alien“-Prequel dieser Spurensuche nach dem Schöpfer. Oder besser gesagt nach den Schöpfern - und das gleich auf mehreren Ebenen. Getrieben von einer inneren Sehnsucht versuchen Menschen, Androiden und sogar der Film selbst ihre jeweiligen Erschaffer, sowie die Gründe für die eigene Existenz zu finden.

    Dieser Selbstfindungstrip beginnt mit düsterem Nebel, vulkanischem Gebirge und bedrohlichen Schluchten, über die die Kamera in Windeseile hinweg fliegt. Auch wenn es sich um die Erde handelt, wirkt sie fremd. Ebenso fremd, wie das Wesen, das an einem Wasserfall stehend die Aufmerksamkeit der Kamera erregt. Kurz darauf zerfällt es optisch eindrucksvoll in seine Einzelteile und stürzt in die Tiefe. Warum? Ein erster Hinweis darauf, dass der Film sehr viele Fragen aufwirft, aber nur wenig Antworten liefert.

    Aber wie steht es mit den Antworten nach dem Ursprung der Menschheit? Um dieser Frage nachzugehen, startet das Forschungsschiff Prometheus gegen Ende des 21. Jahrhunderts eine mehrjährige Reise. Die Besatzung schlummert dabei tief und fest in ihren „Planet der Affen“-Schlafkapseln. Lediglich der Androide David (Michael Fassbender) überwacht den Flug. Einsam streunt er durch sterile 2001-ähnliche Kulissen und versucht mittels der Filmgeschichte die Menschheit zu verstehen - auch er ist auf der Suche nach seinen Schöpfern und will versuchen, sie zu begreifen.

    Spätestens hier fällt auch das atemberaubende Zusammenspiel von statischer, ruhiger Kamera und der gigantischen Tiefenschärfe von 3D auf. Und gerade dieses 3D, mausert sich eindrucksvoll zu einer großen Stärke des Films. Wer hätte es dem alten Sir noch zugetraut, einer Technik ihre Kinderkrankheiten auszutreiben, die bereits drohte die gesamte Kinolandschaft in ihren kommerziellen Abgrund zu reißen? Endlich einmal einer, der nicht so wie Scorsese & Co Angst vor Stillstand hat. Angst davor, dass die Technik ihre Schwächen zeigt, sobald man die Kamera still hält und dem Publikum etwas länger Zeit gibt hinzusehen. Und auch in den Phasen, in denen Scott ordentlich aufs Tempo drückt, bleibt die dritte Dimension solide und die Bilder auch bei schnellen Bewegungen gestochen scharf.

    Gleich nach der Landung auf dem fremden Planeten erfolgt die erste Expedition ins Ungewisse. Ziel ist es, die „Ingenieure“ zu finden - jene Spezies, die einst die Menschen schuf und von denen sie sich alle Antworten erwarten. Und auch, wenn alles ganz anders aussieht und sich die Optik deutlich vom vormals so großartigen Art-Design von HR GIGER abhebt, fühlt man sich inszenatorisch ständig an „Alien“ erinnert. Doch „Prometheus“könnte durchwegs auch als eigenständiger Film funktionieren. Die Etablierung als Prequel erscheint eher kontraproduktiv.

    Wie bereits in „Alien“, stehen auch hier die Frau als Mutterfigur und das Motiv der Geburt im Mittelpunkt. Motive, die letztendlich auf spektakuläre Art und Weise auf großes Körperspektakel hinauslaufen, bei dem der Mensch intensiven Gefühlsempfindungen ausgesetzt ist. Eben jenes Körperspektakel, das bei „Alien“ so gut funktionierte und einem durch gekonnte Inszenierung das Blut in den Adern gefrieren ließ (vgl. Facehugger & Co). Doch auch wenn Scott in „Prometheus“ dem Grauen optisch teilweise noch einen draufsetzt, kommt der Film in diesem Punkt nicht an den Klassiker heran – „Prometheus“ soll dafür viel mehr auf einer intellektuellen Ebene funktionieren. Was jedoch seine Tücken hat. Letztendlich handelt es sich um einen anderen Planeten und um andere fremde Wesen als im Film von 1979. Doch Scott findet immer mehr Gefallen daran, neben zahlreichen Filmklassikern (somit begibt sich auch der Film selbst auf die Suche nach seinen eigenen Vorfahren) auch ständig sich selbst zu zitieren und immer neue Aspekte in die Handlung aufzunehmen. Aber irgendwann sind dann zu viele Türen offen und Scott schafft es nicht mehr annähernd alle zu schließen.

    Die verzweigte Suche nach den Schöpfern, religiöse Aspekte und der Mensch-Maschinen Konflikt werden in das Alien-Universum gepresst und mit Actioneffekten unterlegt. Unter dieser Überladung müssen vor allem die Schauspieler bzw. Charaktere leiden. Denn obwohl beispielsweise die Auftritte des großartigen Michael Fassbender als Androide David zu den besten Szenen des Films zählen, wünscht man sich ständig mehr. Man wünscht sich mehr von seinem kindlichen Mienenspiel, das gleichzeitig zum diabolischsten gehört, was man seit langer Zeit gesehen hat. Mehr vom Mensch-Maschinen-Konflikt, der bereits alleine einen ganzen Film füllen könnte (siehe „Blade Runner“) - man bekommt es aber nicht. Da passten beispielsweise die ähnlichen Szenen mit dem Androiden Ash in „Alien“ besser in das Gesamtkonzept, obwohl sie nicht annähernd diese Energie mit sich brachten. Auch Noomie Rapace, Charlize Theron & Co schaffen es somit nicht, sich trotz einiger starker Szenen entfalten zu können. Sie bleiben undurchsichtig, schwer fassbar und so in gewisser Weise auch uninteressant. Sämtliche menschlichen Charaktere wirken wie Fremdkörper im Film. Sie sind Randfiguren in ihrer eigenen Geschichte und werden von Ridley Scott wie Spielbälle durch den Film jongliert. Dabei steht jeder für sich alleine – jeder ist sich selbst der Nächste. Was vielleicht jedoch alles als geniales Stilmittel gedacht ist, wirkt sich letztendlich aber negativ auf das Sehvergnügen aus. Denn um philosophisch ernstgenommen zu werden, ist die eingebaute Pseudo-Tiefgründigkeit nicht ausreichend und Scott tanzt etwas zu ausgelassen immer wieder auf den gleichen Fragen herum.

    Fazit:
    Überladung und Undurchsichtigkeit führen zu einer ständigen Unzufriedenheit. Vieles bleibt offen - viele Szenen ergeben nur wenig Sinn und wirken, als ob Teile fehlen würden (vielleicht gibt es ja einen längeren Blu-ray Directors Cut). Alles wirkt, als ob „Prometheus“ auf ein weiteres Sequel oder Prequel hinauslaufen würde. Oder wie sonst könnte man es sich erklären, dass Guy Pearce mit schlechter Maske einen alten Greis spielt und nur für sehr kurze Zeit jung zu sehen ist?

    „Prometheus“ ist letztendlich ein visuell beeindruckender und kurzweiliger Bilderrausch, dessen Handlung man nicht immer nachvollziehen kann. Diese Undurchsichtigkeit rührt jedoch nicht von zu hoher Philosophie oder einer Filmvermittlung auf reiner Gefühlsebene, wie sie etwa David Lynch eindrucksvoll beherrscht. Vielmehr ist dies der Tatsache geschuldet, dass man des Öfteren das Gefühl hat, die Drehbuchautoren haben sich in einem klebrigen Spinnennetz mit unzähligen pseudophilosophischen Handlungssträngen verstrickt, aus denen sie sich nicht mehr befreien können. Und je mehr sie strampeln, umso mehr verheddern sie sich.
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    (Patrick Zwerger)
    19.07.2012
    15:35 Uhr
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