Filmkritik zu The Cooler

Bilder: Cinestar Fotos: Cinestar
  • Bewertung

    Zwischen Spielhölle und Glitzerparadies

    Exklusiv für Uncut
    „The Cooler“ würde in meiner Top 50 Filme aller Zeiten ziemlich sicher einen Platz finden. Überrascht stellte ich vor einem Jahr fest, dass das tolle Drama mit Willem H. Macy, Alec Baldwin und Maria Bello sein 20-jähriges Jubiläum feierte. Ich begann daraufhin, einen Text zu schreiben, der aufgrund der Arbeit aber irgendwann unterging. Nun ist das zwischenmenschliche Drama auf den Tag genau 21 Jahre alt. Höchste Zeit, den Text zu vollenden und diesen Film einmal etwas bekannter zu machen.

    Bernie Lootz (William H. Macy) ist der größte Pechvogel auf Erden und zahlt schon jahrelang seine Spielschulden bei dem Casinobetreiber Shelly Kaplow (Alec Baldwin) ab. Tagein, tagaus zählt er die verbleibenden Tage, bis er mit seinem alten Leben in dem von der Mafia kontrollierten Spielcasino Shangri-La abschließen und ein neues beginnen kann. Als der große Tag plötzlich vor der Tür steht, will ihn Shelly jedoch nicht gehen lassen, sondern anderweitig an das verführerische Leben im Casino binden. Nachdem Kellnerin Natalie Belisario (Maria Bello) in Bernies Leben tritt, beginnt das Pech zu schwinden. Als beide sich näherkommen und Gefühle entstehen, schmieden sie gemeinsam Pläne, um ein neues Leben zu beginnen.

    Im Casino Shangri-La zischen die Würfel durch die Luft. Knapp daneben ist auch vorbei – das Haus gewinnt. Und doch kann man hier das Leben genießen, solange man noch etwas Geld übrig hat. Schließlich winkt ein Gewinn, mag er noch so unwahrscheinlich ausfallen. Als Bernie sich zwischen all den Menschen erhebt und seinen Job als Cooler walten lässt, bleiben die Gewinne jedoch aus. Das Pech in seinem Leben ist so stark, dass es selbst auf andere abfärbt. Eine einzigartige Ambivalenz stellt sich dabei ein. Einerseits fühlt man sich im Casino wohl, da es mit Bernie einen Menschen gibt, dem es immer schlechter gehen wird, andererseits wächst konstant die Sympathie zu dem Pechvogel und damit auch die Schwermut. Das Shangri-La: Spielhölle und ein Ort zum Träumen in einem. Lehrt uns das Kino aber nicht gern, dass da, wo es Träume gibt, auch der Wandel nicht weit entfernt ist?

    Die Grundidee mag einfach sein, sogar fast klischeehaft: Ein vom Unglück verfolgter Mann trifft seine große Liebe, und plötzlich wendet sich das Blatt. Die Umsetzung muss daher einzigartig sein, um nicht im Sumpf der Mittelmäßigkeit zu enden. Kein Problem für Regisseur Wayne Kramer, der hierbei den Fokus auf Subtilität legt. Immer wieder wechselt die Stimmung zwischen Freude und Traurigkeit in Bernies Leben, wofür Kramer unterschiedliche Stilmittel nutzt und uns daran erinnert, was im Kino alles möglich ist. Ein kleiner Hinweis: Wer auf Details, wie die Größe von Bernies Anzugs, achtet, wird belohnt. Dem Handeln vorausgehend, sind es dabei immer die Erwartungen in Bernie, die den Kampf zwischen Resignation und Subversion prägen. Die Idee der selbsterfüllenden Prophezeiung bietet sich hier also an: Nicht nur das Handeln bestimmt das Leben, auch Prognosen über eine mögliche Zukunft (positiv wie negativ) haben einen entscheidenden Einfluss.

    Visuelle Poesie entfaltet sich dabei. Melancholie wird mit eisiger Kälte inszeniert, wohingegen die Bilder der Hoffnung sanft wärmen. Glitzernde Lichter und ein zu jeder Zeit passender Soundtrack mit wunderschönen Jazz-Einlagen ziehen mit den Mitteln der Verführung in den Bann. Bilder von zerbrochenem Glas wie gebrochenen Menschen konterkarieren dagegen diese verführerische Atmosphäre und schaffen tiefere, berührende Ebenen. „The Cooler“ balanciert daher immer wieder zwischen hartem Fatalismus (würde dieser dominieren, stünden die Chancen definitiv gegen Bernie) und einem Funken Hoffnung, der bekanntlich zuletzt stirbt.

    Große Produktionen alter Meister wie „Leaving Las Vegas“ oder „Bringing out the Dead“, die sich ebenfalls um vom Schicksal gebeutelte Männer drehen, kommen einem in den Sinn. Sehnlichst fiebert man in „The Cooler“ mit und hofft auf etwas weniger deprimierendes. Ohne zu viel zu verraten, lässt sich sagen: Diese drei Filme geben zwar aufgrund der Schnittmengen ein fantastisches Triple-Feature ab, es handelt sich jedoch nicht um die gleiche Geschichte in drei Variationen. Die fesselnde Mischung aus Liebe, Glücksspiel und Fatalismus erinnert letztlich an bessere Kinojahre. Da in 2003 die Großproduktionen wie „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ oder „Master & Commander“ die Kinos einnahmen und jegliche Diskussionen dominierten, ging „The Cooler“ wenig überraschend unter. Wie im Falle David gegen Goliath stellt sich diese kleine Produktion mit grandiosem Charme den gigantischen Filmen entgegen und fast schon ließe sich sagen: Es sind die kleinen Filme im Leben, auf die es ankommt. Mittlerweile gibt es „The Cooler“ auf Blu-Ray und kostenlos auf Amazon Freevee - höchste Zeit also, diese unbekannte Filmperle einmal nachzuholen.
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    (Michael Gasch)
    26.11.2024
    15:30 Uhr