Filmkritik zu Howl

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  • Bewertung

    Der Zeit ihre Kunst – Der Kunst ihre Freiheit

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2010
    Die Diskussion darüber, woran sich messen ließe, was Literatur bzw. Kunst ist und was nicht ist wohl so alt wie menschliches Kunstschaffen. Immer wieder gab es Versuche, unbestreitbare Kriterien dafür aufzustellen, was Kunst ist, woran sich ohne jeden Zweifel erkennen ließe, ob es sich bei dem Werk eines Literaten, einer Dichterin oder eines Malers um wahre Kunst handelt. Alleine auf der sprachlichen Ebene ist es gar nicht möglich, vom „Werk eines Künstlers“ zu sprechen, ohne der betreffenden Person gleichzeitig zuzugestehen, Kunst zu schaffen. Im Falle des Gedichtes „Howl“ von Alan Ginsberg gingen damals in den USA der 1950er Jahre die Wogen hoch. Manche empfanden schon alleine die Worte, die Ginsberg darin benutzte, obszön, andere wiederum meinten, es enthielte keinerlei künstlerisch wertvolle Aussage, sondern wäre eine bloße Selbstinszenierung des Autors. Schließlich kam es soweit, dass der Verleger, der das Gedicht veröffentlicht hatte, vor Gericht stand und sich dafür verantworten musste, ein obszönes Werk von öffentlichem Ärgernis publiziert zu haben. Er wurde schließlich freigesprochen und „Howl“ ist bis heute sein größter Erfolg. In ihrem Film zeichnen die Regisseure Epstein und Friedman den Prozess rund um die Veröffentlichung nach und versuchen sich außerdem an einer Umsetzung des sperrigen Textes in Bilder. Nebenbei lassen sie auch den Autor selbst (großartig!-> James Franco) zu Wort kommen und seine Lebensgeschichte rund um „Howl“ erzählen. Das Resultat ist ein Film mit einem gewissen experimentellen Charakter, besonders dort, wo Teile des Gedichts in Bilder übersetzt werden. Angesichts der sprachlichen Dichte des Textes und der Abstraktheit seiner Sprache entschieden sie sich für eine Umsetzung der Textpassagen in Animationssequenzen, die leichter in der Lage sind, die reine vordergründige Textebene zu transzendieren und mit ihren bunten, mitunter verstörenden Bildern voller bunter Blumen neben überlebensgroßen Genitalien und kopulierenden Paaren unterschiedlichen Geschlechts einen Hauch dessen sichtbar zu machen, was in Ginsbergs Text angeprangert und verdammt, gepriesen und verehrt wird. Die bunte Mischung aus Biographie, Gerichtssaaldrama und experimentellem Animationsfilm müht sich redlich an der Umsetzung des schwierigen Stoffes ab und liefert eine überraschend nachvollziehbare Deutungsvariante des Gedichts, ohne sie dabei als absolut zu erklären und lässt genug Raum für anschließende Diskussionen. Sie überzeugt vor allem mit ihrem Hauptdarsteller James Franco und mit ihren eigenwilligen, aber stimmigen Animatiossequenzen. Genauso wie jede Interpretation eines literarischen Textes immer hinter dem Ganzen des Enthaltenen zurückbleiben wird, so kann auch dieser Film nicht jeden einzelnen Aspekt in seinen Kontext rücken und der Leserschaft die Arbeit abnehmen, sich mit Literatur persönlich auseinander zu setzen. Einen Gusto darauf macht er aber allemal.
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    (Markus Löhnert )
    12.02.2010
    23:56 Uhr
    http://worteverbinden.at
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