Filmkritik zu Heads or Tails?

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Buffalo Bill trifft Guns N‘ Rosa

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    In dieser Verbeugung vor dem klassischen Western schickt das italienische Regieduo Alessio Rigo de Righi und Matteo Zoppis ein mörderisches Paar auf die Flucht. Ihnen an die Fersen heftet sich niemand geringeres als Buffalo Bill.

    Das Genre des Western scheint über die Jahre aus der Mode gefallen zu sein. Berittene Revolverhelden, staubige Landschaften, belebte Saloons, Pistolen, Goldmünzen um die gestritten wird, und das alles zur Zeit des Wilden Westens im Amerika des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Eine Flucht aus unserer hochgradig industriellen Gegenwart in eine einfachere, aber auch rauere Ära. Die Blütezeit des Western kann zwischen den 1940er- und 1960er-Jahren eingeordnet werden, als sich einige namhafte Hollywood-Regisseure anschickten, ihrer Filmografie ein wenig die Sporen zu geben. John Ford (für viele der Großmeister, mit seinen Panoramen des Monuments Valley), Howard Hawks, George Stevens, William Wyler, Budd Boetticher und Sam Peckinpah sind nur ein paar, die das Kino mit ihren Outlaws und Gesetzeshütern bevölkert haben. Gerade als sich der Western in Hollywood langsam aber sicher im Rückgang befand, nahm das Genre in Italien wieder an Fahrt auf, was in erster Linie natürlich Sergio Leone zu verdanken ist, dessen „Dollar“-Trilogie mit Clint Eastwood und „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) bis heute vielzitierte Meisterklassen in Sachen Wildwestabenteuern sind. Hierzulande erfreuen sich seit Jahrzehnten auch die Filme des Haudrauf-Duos Bud Spencer und Terrence Hill ungebrochener Beliebtheit.

    Da die Handlungen dieser italienischen Filme recht dünn gehalten sind, weil es doch in so einer trost- und gesetzlosen Zeit wenig Vielschichtiges zu erzählen gibt, wurde diesen italienischen Beiträgen der eigentlich wenig schmeichelhafte Beiname „Spaghetti-Western“ gegeben. So dünn wie eine Spaghetti-Nudel eben. Das bringt uns nun zum Film, um den es hier geht. Zwei junge italienische Regisseure wollen ihren Idolen huldigen und schicken sich an, einen Western mit modernem Anstrich, aber klassisch kernigen Typen zu drehen. Beim Drehbuch arbeiteten sie mit Ko-Autor Carlo Salsa zusammen. In den frühen 1900er-Jahren stattet der legendäre amerikanische Revolverheld Buffalo Bill (John C. Reilly) mit seiner Wandershow Italien einen Besuch ab. Bei einem dieser Stopps geht der überaus charmante und eloquente Cowboy eine Wette mit dem brutalen Gutsherrn Ercole Rupè (Mirko Artuso) ein, der behauptet, dass seine Hirten bessere Reiter sind als Bills amerikanische Posse. Eine Behauptung, die der stolze Bill natürlich nicht so einfach hinnimmt. Weil sich Rupè aber einen großen Gewinn erhofft, setzt er auf die amerikanischen Besucher und fordert seinen Stallburschen Santino (Alessandro Borghi) auf, absichtlich zu verlieren. Doch der weigert sich und gewinnt das Duell mit Bills Reitern. In einer anschließenden hitzigen Auseinandersetzung zwischen Santino und Rupè, an der auch Rupès junge Frau Rosa (Nadia Tereszkiewicz) beteiligt ist, erschießt die Frau ihren ungeliebten Gatten und macht sich mit Santino auf die Flucht. Rupès Vater (Gianni Garko), der Rosa ohnehin nie gemocht hatte, setzt Bill auf die beiden Flüchtigen, die sich unterwegs näherkommen, an und bietet ein hohes Kopfgeld auf die Mörder seines Sohnes. Doch deren Heldentat, die irrtümlich Santino zugeschrieben wird, rüttelt die unzufriedene Bevölkerung auf und zettelt einen Aufstand an.

    „Testa o croce?“ hält einige interessante Zitate und Verweise für Genrefans bereit: Nadia Tereszkiewiczs Figur erinnert etwa, vor allem optisch, an Julie Christie in Robert Altmans Klassiker „McCabe & Mrs. Miller“ (1971), der Mord, der einer anderen Figur zugeschrieben wird und für Furore sorgt, ist ein essentielles Handlungselement aus „The Man Who Shot Liberty Valance“ (1962) von John Ford mit James Stewart und John Wayne. Und natürlich huldigen die Regisseure auch dem Italowestern. So gelingt ihnen ein kurzweiliges, mit witzigen Elementen gespicktes Wildwest-Abenteuer, das keine Minute langweilt. Dass der Plot gegen Ende hin ein wenig ins Absurde abdriftet und manche Einfälle etwas zu schräg geraten sind, lässt sich dabei verschmerzen.

    Tereszkiewicz ist die treibende Kraft in diesem Film, die sich nicht von den dominierenden Männern einschüchtern oder gar einkerkern lässt. Borghi, in seinem Heimatland Italien ein geachteter und gefeierter Charakterdarsteller mit einem „David di Donatello Award“, der höchsten italienischen Filmauszeichnung, in seiner Vita, gibt Santino den ruppigen Charme, den sein Archetyp vorschreibt, bleibt aber an Tereszkiewicz‘ Seite eher etwas blass. Der eigentliche Star des Films ist, wenig überraschend, der amerikanische Charakterdarsteller John C. Reilly, dessen Charisma, Spielfreude und Humor den Film über die Ziellinie tragen. Auch wenn er „nur“ eine Nebenrolle spielt und über weite Strecken des Films nicht zu sehen ist, so hebt seine Präsenz den Film ein wenig an.
    „Testa o croce?“ wird in der zukünftigen Filmgeschichte zwar wohl nur als Randnotiz erhalten bleiben, es lohnt sich aber dennoch, knapp zwei Stunden in dieses Abenteuer einzutauchen, denn mit sympathischen Westernfiguren lässt sich die Zeit doch sinnvoller vertreiben als mit gegenwärtigen untragbaren Zeitgenossen.
    14202689_10202226751748269_7605103679564950054_n_89ac4b59ea.jpg
    (Manuel Oberhollenzer)
    20.10.2025
    14:51 Uhr