Exklusiv für Uncut
Es ist kaum möglich, über einen neuen Wes Anderson Film zu schreiben, ohne über seinen unverkennbaren Stil zu reflektieren, der nicht nur auf TikTok zahlreiche Nachahmer gefunden hat, sondern auch unlängst in dem Buch „Accidentally Wes Anderson“, in dem es um Orte geht, die aussehen wie Anderson Schauplätze, seinen Niederschlag gefunden hat. Bei Anderson gibt es mehrere Möglichkeiten: Man kann als Zuseher mit diesem Stil absolut nichts anfangen. Man mag diesen Stil und feiert jeden neuen Film von ihm grenzenlos. Oder: Man mag diesen Stil, wünscht sich aber doch da und dort ein bisschen mehr Emotionalität. Für mich gilt seit nun schon einiger Zeit letzteres.
Worum geht es diesmal? Der reiche und mächtige Geschäftsmann Anatole „Zsa Zsa“ Korda (Benicio del Toro), der sich mit zahlreichen Anschlägen auf sein Leben konfrontiert sieht, die er mit dem Mantra „I myself feel very safe“ bekämpft, beschließt noch schnell sein Lebenswerk zu vollenden und sein „Korda Imperium“, ein Infrastrukturprojekt im Nahen Osten, aufzubauen. Als Alleinerbin setzt er seine Tochter Liesl (Mia Threapleton), eine angehende Nonne ein. Gemeinsam mit ihr und dem Hauslehrer und Insektenkundler Bjorn (Michael Cera) reist er durch das Land, um Investoren für sein ambitioniertes Unternehmen zu finden...
„Der phönizische Meisterstreich“ ticks all the Anderson-Boxes, wenn man so will. Ein schrulliger Titel, die üblichen folkloristischen Namen und eine bemerkenswerte Ausgangssituation, exekutiert mit jeder Menge skuriller Hilfsmittel, hier: Schuhkartons, Landkarten, und Zahlenvisualisierung. Dazu, wie so oft: Wüste, Aufzüge, Eisenbahnschienen, alte Flugzeuge, intellektuelle Literatur und auffällige Kopfbedeckungen (Fes, Kapitänsmütze, Wimpel). Natürlich sind auch hier Andersons Bilder wieder perfekt durchkomponiert und die Protagonisten sprechen nicht selten direkt in die Kamera. Natürlich haben wir auch wieder einen riesigen Cast des gewohnten Anderson-Personals wie Bill Murray, William Dafoe, Scarlett Johansson, Bryan Cranston und Benedict Cumberbatch, oft sind diese ausgestattet mit exaltierten Frisuren und/oder Bärten. Dazu einige, ziemlich passende Neuzugänge, neben Benicio del Toro auch Michael Cera - „I am a bohemian“, „I thought you were from Oslo“ - und Kate Winslets Tochter Mia Threapleton als Nonne.
Tatsächlich ist die sich anbahnende Intensivierung der Vater-Tochter Beziehung, familäre Dysfunktionen sind ein Hauptthema in Anderson Euvre, die Komponente, die diesem Film die Menschlichkeit geben hätte können, auf die man seit „The Royal Tenenbaums“ immer ein bisschen wartet. Wirklich gelingt es in „The Phoenician Scheme“ nicht, auch wenn es gewisse Ansätze gibt. Zsa Zsa erzählt Liesl, dass er sie, obwohl in ihrem Leben weitgehend abwesend, doch immer aus der Ferne beobachtet hat. Liesl daraufhin: „That’s stalking“. Zsa Zsa: „With parents it’s not called stalking, its nourishing. Maybe even caring.“ Dieser verkopfte Zugang zu den eigenen Emotionen wird auch in „The Phoenician Scheme“ über weite Strecken nicht aufgelöst.
Stattdessen kann man den Film als eine Art Schaubühne interpretieren, auf der in abstrakter Weise über Kapitalismus, Moral und Religion verhandelt wird und wo die Zuseherinnen und Zuseher immer ein bisschen auf Distanz gehalten werden. Fußnoten wären oft wünschenswert, ein paar kunsthistorische Zusammenhänge werden im Abspann erklärt. Das alles ist, wir kennen es, enorm artsy, teilweise auch amüsant und qualitativ natürlich hochwertig. Es ist aber gleichzeitig auch mehr vom Gleichen, das uns Anderson seit Jahren in eher geringer Varianz serviert. Und so ist „Der phönizische Meisterstreich“ ein solider Anderson-Film, aber leider dann doch kein neuer Meisterstreich geworden.