Filmkritik zu Confidante

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  • Bewertung

    Wenn sie auflegt, muss er sterben

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
    Im türkischen Drama „Confidente“ findet sich eine Frau, die für eine Telefonsex-Hotline arbeitet, unvermittelt in einem lebensbedrohlichen Katastrophenfall wieder und wird überdies in ein Komplott hineingezogen.

    Ein wenig erinnert „Confidente“ an einen notorischen Flop der 1990er-Jahre. In „Striptease“ von Autor und Regisseur Andrew Bergman spielt Demi Moore, am Höhepunkt ihrer Karriere und mit einer damaligen Rekordgage von 12,5 Millionen Dollar, die ehemalige FBI-Sekretärin Erin, die, um die Kosten für den Sorgerechtsprozess um ihre Tochter bezahlen zu können, in einem schäbigen Nachtclub als Stripperin jobbt und dort von einem zwielichtigen Politiker (Burt Reynolds) umgarnt wird. Der Film war zwar an den Kinokassen einigermaßen erfolgreich, wurde aber von Kritikern verrissen, sahnte gleich sechs Goldene Himbeeren ab und gab Moores Karriere einen gehörigen Dämpfer. Çağla Zencirci und Guillaume Giovanetti bringen nun, knapp 30 Jahre später, ein thematisch ähnliches Drama in die „Panorama“-Sektion der 75. Berlinale. Während Bergman sich mit einer wilden Genremischung und einem überladenen Plot verhebt, gelingt dem Regieduo hier ein spannender und brisanter Thriller.

    Ankara, 1999: Die 40-jährige Sabiha (Saadet Işıl Aksoy), die an einer Krücke geht, muss sich in einer schäbigen Telefonsex-Agentur verdingen. Die meisten Kolleginnen mögen sie nicht, weil der schmierige Chef ein Auge auf sie geworfen hat und sogar das Passwort des heiß begehrten Privattelefons auf ihren Namen lauten lässt. Zudem weiß er mehr über Sabihas Privatleben, als ihr lieb ist, etwa von ihrer Scheidung und ihrem Sorgerechtsstreit. Unter dem Pseudonym Arzu nimmt sie Telefonate von Kunden entgegen und schreibt einige ihrer Eigenschaften und Merkmale auf. Einer von ihnen, ein erst 14-jähriger Junge, der eine Party im Haus seiner Großmutter feiert, braucht aber bald dringend ihre Hilfe: nach einem Erdbeben ist Sabiha die einzige, mit der er noch sprechen kann, weil sie die letzte war, mit der er telefoniert hat. Verzweifelt versucht Sabiha, über einen korrupten Lokalpolitiker, die Rettungskräfte zum eingestürzten Haus des Jungen zu rufen, bevor er unter den Trümmern stirbt. Plötzlich findet sich Sabiha mitten in einem politischen Komplott wieder.

    Mit 76 Minuten ist „Confidente“ ein außerordentlich kurzweiliger Film geworden, der aber, ähnlich wie etwa die Filme „Nicht auflegen!“ (2002) von Joel Schumacher und „Final Call“ (2005) von David R. Ellis, beide von Drehbuchautor Larry Cohen, gar nicht lange um den heißen Brei herumzureden braucht. Kammerspielartig verbleibt die Handlung des Films nur im schäbigen Call Center, die Augen sind auf die verzweifelte Sabiha gerichtet, die nicht nur einem schwer verletzten und traumatisierten Jungen am Telefon seelischen Beistand leisten und mit korrupten Politikern und Gangstern verhandeln, sondern auch noch ihren misstrauischen Kolleginnen und ihrem unsympathischen Chef ausweichen muss. Das Ganze artet, ähnlich wie einst bei „Striptease“, etwas zu sehr aus, und wirkt stellenweise zu arg konstruiert, doch wird der Film von seiner hervorragenden Hauptdarstellerin Aksoy getragen, die ihre herausfordernde Rolle wirklich gut meistert. Sie gibt ihrer couragierten und überaus mutigen Figur nicht nur die körperliche Verletzlichkeit, sondern auch Kühnheit im Angesicht der chaotischen Nachwirkungen einer verheerenden Naturkatastrophe. Wie sie sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzt und am Ende sogar gestärkt und mit neuem Selbstvertrauen aus dem Thriller herauskommt, ist sehr zufriedenstellend.

    Ein spannend inszenierter, wenn auch durch seine Politthriller-artigen Nebengeräusche etwas überladener Thriller mit einer überzeugenden Hauptdarstellerin, die als ungewöhnliche Heldin funktioniert und eindrucksvoll beweist, dass man Frauen, die sich in nicht jugendfreien Callcentern verdingen müssen, keinesfalls unterschätzen und herablassend behandeln sollte.
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    (Manuel Oberhollenzer)
    11.03.2025
    07:31 Uhr