Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
Kateryna Gornostai reiste während der russischen Invasion in der Ukraine über ein Jahr quer durchs kriegsgebeutelte Land, um den Alltag in den Schulen zu dokumentieren, die den Unterricht weiterhin fortsetzen.
Als einziger Dokumentarfilm wurde „Timestamp“ von Kateryna Gornostai in den Wettbewerb der 75. Filmfestspiele von Berlin eingeladen. Die Hoffnung, in die Fußstapfen von Nicolas Philibert („Auf der Adamant“ 2023) und Mati Diop („Dahomey“ 2024) zu treten und den dritten Goldenen Bären in Folge für einen nicht-fiktionalen Film zu gewinnen, erfüllte sich jedoch nicht. Sehenswert ist der Film dennoch, zeigt er doch den erschütternden Alltag, den Lehrpersonen und Schüler tagtäglich in der kriegsversehrten Ukraine durchstehen müssen. Denn trotz der russischen Invasion halten die Schulen weiterhin geöffnet und versuchen, nach Möglichkeit, einen geordneten Unterricht in den Klassenräumen abzuhalten. Man möchte den Kindern weiterhin ein Stück Normalität erhalten und ihnen ihr Recht auf Bildung nicht nehmen.
Von März 2023 bis Juni 2024 entstanden die Filmaufnahmen in Städten quer durch die Ukraine verteilt, teilweise nur wenige Kilometer von Kriegsschauplätzen entfernt, darunter etwa Bucha, Kamianski, Zarichne, Cherkasy, Borodianka und dem vom Krieg besonders betroffenen Bakhmut. Gornostai fängt viele alltägliche Momente ein, wie etwa weinende Kinder bei der Einschulung, Unterrichtseinheiten, die aus Sicherheitsgründen über Zoom abgehalten werden müssen oder ein älterer Schüler, der als Nikolaus verkleidet etwas Freude unter den verängstigten Kindern verbreitet. Es gibt aber auch Momente, die besonders schwer am Gemüt nagen, etwa wenn ein kleines Mädchen ein Foto ihres toten Vaters sieht. Viele der gezeigten Schulgebäude wurden teilweise oder zur Gänze zerstört und müssen neu aufgebaut werden. Ein solcher Wiederaufbau dauert den Eltern der betroffenen Schülern zu lang. Immer wieder wird der Unterricht durch Alarmsirenen unterbrochen, sodass die Lehrer und Schüler evakuiert und in einen Sicherheitsbunker gebracht werden. Gornostai besucht auch das Begräbnis in der Stadt Romny, deren Schule nur zwei Tage zuvor durch einen russischen Drohnenangriff zerstört wurde und bei dem mehrere Menschen, darunter die Direktorin, ums Leben kamen.
Ohne Voice-Over, Interviews oder Nachstellungen gedreht, gibt „Timestamp“ einen ungeschönten und unbearbeiteten Einblick in ein Schuljahr, das ganz im Zeichen der allgegenwärtigen Angst vor dem Tod und der Zerstörung steht. Gornostai selbst hat während des Angriffskriegs ihren Bruder verloren, dem der Film zum Schluss gewidmet wird. „Timestamp“ ist aber auch eine Ode an die resiliente und mutige ukrainische Zivilbevölkerung, die, dem inzwischen dreijährigen Krieg trotzend, sich nicht von den andauernden russischen Angriffen entmutigen lässt und alles daran setzt, ihrem Nachwuchs eine einigermaßen normale Kindheit und eine fundierte Bildung zu ermöglichen, so unsicher auch ihre Zukunft sein mag. Besonders für ältere Schüler, die bereits an der Waffe ausgebildet werden, sollte der Krieg auch ihren Einsatz erfordern.
Ein weiteres bewegendes Dokument, das den Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Bevölkerung schildert, ist Kateryna Gornostais „Timestamp“, trotz der erschütternden und furchtbaren Umstände, ein dennoch optimistischer Film, der beweist, dass, nur weil die Kinder in ihrem noch jungen Leben nichts als Krieg und Zerstörung um sich herum kennen, nicht doch von einer friedlichen, hoffnungsvollen und glorreichen Zukunft träumen können.