Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
Familiäre Geheimnisse und ein intensiver Urlaubsflirt wird für ein Mutter-Tochter-Gespann zur schwierigen emotionalen Belastungsprobe, wenn im spanischen Almería drei unterschiedliche Frauenfiguren aufeinandertreffen.
Rebecca Lenkiewicz hat sich in den vergangenen Jahren bereits einen Namen als Drehbuchautorin und Dramatikerin gemacht. Mit dem polnischen Regisseur Pawel Pawlikowski schrieb sie das Skript zu seinem vielfach preisgekrönten Drama „Ida“ (2013). Nicht minder erfolgreich war sie mit ihrer Zusammenarbeit mit dem Chilenen Sebastián Lelio an „Ungehorsam“ (2017), der für BBC produzierten Filmserie „Small Axe“ (2020) von Steve McQueen und Maria Schraders #metoo-Film „She Said“. Nun ist die Zeit reif für Lenkiewicz, sich erstmals selbst auf den Regiestuhl zu setzen und dafür nahm sie sich den Roman „Hot Milk“ von Deborah Levy vor. Erstmals 2016 veröffentlicht, steht eine fragile Mutter-Tochter-Beziehung im Fokus.
Rose (Fiona Shaw) sitzt seit vielen Jahren im Rollstuhl, weil sie immer wieder unter mysteriösen Lähmungserscheinungen leidet und sie sich kaum bewegen kann. Ihre Tochter Sofia (Emma Mackey) hilft ihr, so gut sie kann, weswegen sie Rose auch nach Almería begleitet, wo sich Rose von dem einfühlsamen Arzt Gomez (Vincent Perez) schamanische Wundermittel erhofft, die ihr endlich die ersehnte Heilung bringen sollen. Emma, die vom Zusammenleben mit ihrer launischen und exzentrischen Mutter längst verzweifelt ist, lernt am Strand die geheimnisvolle Ingrid (Vicky Krieps) kennen, in die sie sich verliebt. Dieser Flirt, Roses und Emmas Auseinandersetzung mit ihrer familiären Vergangenheit und lange aufgestaute Gefühle und Frustrationen kommen immer mehr zum Vorschein und drohen einen Keil zwischen Mutter und Tochter zu treiben.
Die große Stärke des Films sind zweifellos seine drei Frauenfiguren, die von drei talentierten Charakterdarstellerinnen gespielt werden. Dabei sticht besonders die routinierte Fiona Shaw heraus, die als zynische, unverblümte und direkte Rose einige eindrückliche Charaktermomente haben darf, während ihre junge, noch am Anfang ihrer Karriere stehende Emma Mackey den zurückhaltenden, zunächst emotional reservierten Gegenpart der Tochter einnimmt. Vicky Krieps wiederum darf eine freigeistige Frau spielen, die eine sinnliche und geheimnisvolle Präsenz kreiert und eine eigensinnige Aura entfalten darf. Obwohl Ingrid offen promiskuitiv lebt, ist sie kein archetypischer Femme Fatale-Charakter, die Sexualität wird im Film nie übermäßig plakativ inszeniert.
Alle drei Frauenfiguren haben im Verlauf der Handlung mit schwierigen Geheimnissen aus ihrer Vergangenheit zu kämpfen, die in intensiven, aber dosiert vorbereiteten Momenten enthüllt werden, wodurch der Effekt jedoch verpufft und die Handlung eher ins Melodramatische abdriftet. Das ist schade, denn mit diesen kompetent besetzten Parts wäre durchaus noch etwas mehr möglich gewesen. Nichtsdestotrotz aber gelingt besonders Shaw eine eindrucksvolle Performance.
Vor wunderschöner Kulisse gedreht – Kameramann Christopher Blauvelt verwandelte den griechischen Drehort in die malerische spanische Küstenstadt Almería – bringt Lenkiewicz ein einigermaßen überzeugendes Frauendrama auf die Leinwand, das ein paar dramaturgische Schwächen hat, aber von seinem groß aufspielenden Frauentrio getragen wird.