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    Meine Freundin, ihre Familie und ich

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
    In Hong Sang-soos neuem Film lernt ein junger Dichter die Eltern und Schwester seiner Freundin kennen und verbringt einen langen Tag und eine Nacht auf ihrem Anwesen. Kann er seine potenziellen Schwiegereltern und Schwägerin für sich begeistern?

    Wer kennt es nicht, das unsichere Gefühl, wenn man zum ersten Mal der Familie seiner Lebensgefährtin gegenübersteht? Die Nervosität, nur ja nicht unangenehm aufzufallen, immer sympathisch dreinschauen, die beste Version seiner selbst abgeben. Denn wenn es mit der Beziehung über kurz oder lang klappen soll, muss ein respektvolles und gesundes Verhältnis zu den Schwiegereltern in spe garantiert sein. Diese Ausgangssituation bietet sehr viel Material für Fettnäpfchen und so überrascht es dann auch nicht, dass es bereits einige Filme zu diesem Thema gibt: am ehesten fällt einem gleich „Meine Braut, ihr Vater und ich“ (2000) ein, in dem der schusselige Krankenpfleger Gaylord Focker (Ben Stiller) beim strengen und arg misstrauischen ehemaligen CIA-Agenten Jack (Robert de Niro) um die Hand von dessen Tochter Pam (Teri Polo) anhält und während des Kennenlernwochenendes eine Katastrophe nach der anderen anrichtet. Der Film war so erfolgreich, dass er den Auftakt zu einer ganzen Trilogie bildete. Sebastian Maniscalco, seines Zeichens Stand-Up-Comedian, schrieb sich die autobiografische Komödie „Und dann kam Dad“ (2023) selbst auf den Leib, wo de Niro diesmal den Part von Maniscalcos unkonventionellem italienischstämmigen Vater Salvo spielt, der die Beziehung seines Filmsohns zu einer Tochter (Leslie Bibb) aus wohlhabendem Haus gefährdet. Und man kommt nicht umhin, den Klassiker des Schwiegereltern-Films, „Rat mal, wer zum Essen kommt“ (1967) zu erwähnen, der zum Zeitpunkt seines Erscheinens aufgrund der damals gesellschaftlich schwierigen Romanze zwischen eines schwarzen Mannes (Sidney Poitier) und einer weißen Frau (Katharine Houghton) mächtig Staub aufwirbelte.

    Nun hat sich der rastlose südkoreanische Auteur Hong Sang-soo daran gemacht, das Publikum der Berlinale mit einer Komödie über den ultimativen Stresstest einer romantischen Beziehung zu unterhalten. Es ist ihm gelungen. „What Does that Nature Say to You“ ist seine bereits 33. Spielfilmarbeit in weniger als 30 Jahren und er hielt damit seine achte Einladung in den Hauptbewerb – sechs davon in den letzten sechs Festivals. Man könnte meinen, eine Berlinale ohne Hong Sang-soo im Wettbewerb sei undenkbar. Auch diesmal entstand der Film wieder in kompletter Eigenregie Hongs, der Regie führt, das Drehbuch schreibt, hinter der Kamera steht, den Schnitt verantwortet und die Musik komponiert. Von allen Wettbewerbsfilmen in Berlin dürfte „What Does that Nature Say to You“ der günstigste und minimalistischste sein, was man an der Ästhetik mit der weichzeichnerischen Bildqualität eines einfachen Camcorders mit Zoomfunktion – die Hong in einigen Szenen verwendet, was mitunter einigen Zuschauern ein lautes Lachen entlockt – erkennen kann. Das soll aber kein Nachteil sein: Hong beweist, dass man auch mit einfachen Mitteln, wenig Ressourcen und nahezu gänzlich auf sich allein gestellt Kinokunst verwirklichen kann. Allein dafür gebührt ihm schon einmal Anerkennung.

    Donghwa (Ha Seoung-guk) fährt seine Freundin Junhee (Kang So-yi), mit der er bereits seit drei Jahren zusammen ist, zum Haus ihrer Eltern. Er beschließt, sie hineinzubegleiten und bei der Gelegenheit endlich einmal ihre Familie – Vater Oryeong (Kwon Hae-hyo), Mutter Sunhee (Cho Yun-hee) und Junhees ältere Schwester Neunghee (Park Mi-so) – kennenzulernen. Donghwa, der seinen Lebensunterhalt als Dichter bestreiten will, macht zunächst einen guten Eindruck auf die Kims, auch wenn er ein altes und nicht mehr ganz tüchtiges Auto fährt und auch sonst in sehr bescheidenen Verhältnissen zu leben gedenkt. Er bleibt schließlich zum Abendessen und verbringt anschließend die Nacht im Haus, wo er, zunehmend betrunkener, mehr und mehr die Fassade eines passablen Partners für Junhee fallen lässt.

    Wer sich mit den Genrebeiträgen, die eingangs als Referenz für „What Does that Nature Say to You“ genannt wurden, auskennt, der wird wahrscheinlich schon wissen, worauf Hong Sang-soo in seinem Film hinarbeitet. Aber nur weil der Plot vorhersehbar und mit einigen genretypischen Klischees versehen ist, schmälert das den Unterhaltungswert des Films nicht. Vielmehr schafft Hong ein kurzweiliges Vergnügen, das dank seiner spielfreudigen Schauspieler nie wirklich langweilt, auch wenn sich einige Szenen doch etwas mehr in die Länge ziehen als man es gerne hätte.
    Einer der wenigen wirklich erheiternden Filme auf der diesjährigen Berlinale, gelingt Dauergast Hong Sang-soo eine witzige, gut gespielte und über 108 Minuten gut unterhaltende Familienkomödie. „What Does that Nature Say to You“ braucht den Vergleich mit seinen Vorbildern nicht zu scheuen.
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    (Manuel Oberhollenzer)
    25.02.2025
    10:15 Uhr