Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
Jessica Chastain und Isaac Hernández kämpfen für ihre Träume, aber auch um ihre Liebe gegen alle Widerstände in einem berührenden, rohen Melodram.
Man könnte sich, Wochen nach dem Amtsantritt der neuen US-Regierung, fragen, ob es den amerikanischen Traum überhaupt noch gibt. Wenn es nach dem neuen, alten Präsidenten geht, würde diesem ein Riegel vorgeschoben. Und so trifft die Eröffnungsszene im Lichte der derzeitigen politischen Situation an der amerikanisch-mexikanischen Grenze schon sehr hart: Illegale Immigranten aus Lateinamerika, die, zusammengepfercht in einem LKW, um Hilfe schreien und dann spätnachts mitten auf der Straße gefilzt und ihrer Habseligkeiten entledigt werden. Fernando (Isaac Hernández) flieht und schlägt sich mit letzter Kraft bis nach San Francisco durch. Dort lebt Jennifer McCarthy (Jessica Chastain), die mit ihrem Vater Michael (Marshall Bell) und Bruder Jake (Rupert Friend) eine wohltätige Kunststiftung leitet. Als sich Fernando und Jennifer wiedersehen, wird ihre Leidenschaft füreinander neu entfacht. Doch sie, die in gehobenen Kreisen verkehrt, will und kann sich in der Öffentlichkeit nicht zu ihrem um einige Jahre jüngeren und noch dazu ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in Amerika verweilenden Lover bekennen. Er wiederum will in der Stadt als Balletttänzer durchstarten, und es gelingt ihm, den Leiter einer Ballettkompanie von sich zu überzeugen. Doch während seine Ballettkarriere langsam an Fahrt aufnimmt, belastet das die Beziehung der Beiden – mit drastischen Konsequenzen.
„Dreams“ erzählt eine Liebesgeschichte im Kontext der schwierigen amerikanisch-mexikanischen Beziehungen, besonders Rupert Friends ambivalente Figur Jake, der sich nach außen hin als freundlicher und aufgeschlossener Wohltäter gibt, insgeheim aber unberechenbar ist und nichtsdestotrotz Vorurteile gegenüber Fernando hegt. Franco wählt ein klassisches Sujet des „Armer Kerl liebt reiches Mädchen und muss sich gegen alle Widerstände durchsetzen“, inszeniert es aber nicht als hoffnungsvolle Utopie, die sich über Klassen- und Kulturunterschiede hinwegsetzt, sondern nüchtern und ungekünstelt. Die sexuelle Anziehung zwischen Chastains Jennifer und Hernández‘ Fernando nimmt mit Fortdauer des Films immer toxischere Züge an. Das macht den letzten Akt zu einer emotionalen Herausforderung. Denn „Dreams“, so viel sei verraten, ist keine Zelebrierung des Amerikanischen Traums, oder generell Träume. Franco demontiert sie vielmehr. Gegensätze ziehen sich nun einmal nicht immer an.
Sowohl Jessica Chastain als auch Schauspiel-Newcomer und Balletttänzer Isaac Hernández spielen ihre Rollen furchtlos und mit vollem Körpereinsatz. Es gelingt ihnen, ihre komplizierte und zunehmend obsessive Beziehung glaubwürdig wiederzugeben und zwei fehlbare Charaktere zu spielen, deren größte Schwäche es ist, die Unsicherheit und die Ignoranz des jeweils anderen nicht zu erkennen.
Warum man aber als Zuschauer mit den Beiden mitfühlen soll, das kann Franco mir jedenfalls nicht beantworten, denn der Film nimmt die On-Off-Liebesgeschichte von Jennifer und Fernando als gegebenen Fakt an, ohne allzu viel über die Hintergründe der Liebenden offenzulegen. Was dafür aber durchaus gelungen ist, ist der graduelle Abstieg der Romanze hin zu ihrem niederschmetternden, irreversiblen Bruch mit einer Schlussszene, die sich einigen wohl länger ins Gedächtnis brennen wird.
Unterm Strich ist „Dreams“ ein durchaus bewegendes, einfühlsames und auch abgründiges Melodram, das seine Protagonisten Chastain und Hernandez eine Tour de Force durchleben lässt. Dass der Film besonders im finalen dritten Akt nicht mit schwer hinnehmbaren Entscheidungen und schwer verdaulichen Momenten geizt, macht ihn nicht unbedingt zu einem passenden Film für ein Kino-Date.