Exklusiv für Uncut
Wir ging der Spruch noch gleich? Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Erweitert auf das Dream-Team Eltern muss man in nicht allzu ferner Zukunft das längst abgedroschene Zitat leicht adaptieren, denn nennt man ein Kind sein eigen, ist der Rest eine unter der sengenden Sonne des fatalen Klimawandels zwar verdorrte, aber gemähte Wiese. „The Assessment“, kopflastige Science-Fiction von Debütantin Fleur Fortuné, macht Möchtegern-Eltern nämlich das Leben zur Hölle. Oder zumindest sieben Tage lang, denn während dieses einwöchigen Prozesses müssen sich aufeinander abgestimmte Paare einem langwierigen Test unterziehen, der diesen am Ende bestenfalls die Lizenz zur Elternschaft verleihen soll. Ausgetragen wird der Nachwuchs sowieso nicht mehr im Mutterleib, denn in dieser Zukunft, in der Pragmatismus, Effizienz und Einsparung soziale Agenden verdrängt, kommt das Baby tatsächlich mit dem Storch. Soweit aber wollen wir in diesem Szenario gar nicht denken. Es sind Mia und Aaryan, die wohl der Meinung sind, die besten Eltern von allen sein zu können. In einer nicht näher definierten, vom traurigen Rest der Welt abgekapselten Elite-Ökosphäre fristen beide recht isoliert nahe am Meer in einem Luxus-Bungalow ein recht langweiliges Leben und gehen dabei ihrer Arbeit nach. Kaum ist der Antrag auf Elternschaft durch, steht eines Tages Gutachterin Virginia vor der Tür – eine, wie es scheint, recht zugeknöpfte Strenge, die hohe Ansprüche stellt. Geschicklichkeitstests wechseln mit den Worst Case-Szenarien, in denen Tante Prüferin den Satansbraten gibt. Im Laufe dieses thrillerartigen Kammerspiels mit einigen Ausflügen an die stürmisch-triste Küste stellt sich heraus, dass die Dame denkbar ungeeignet scheint, um eine Prüfung wie diese zu leiten. Ganz andere Motive stehen dahinter, wenn es heisst, familienfreundlichen Paaren alles abzuverlangen.
Elternführerschein jetzt! Angesichts der Art und Weise, wie Erziehungsberechtigte oft ihre Kinder im Griff haben oder eben gar nicht, sondern selbige nur in die Welt setzen, um das eigene Image aufzupolieren, weil sie Job mit Familie für alle sichtbar spielerisch unter einen Hut bringen wollen, wären verpflichtende Fortbildungen angesichts frappierender Ahnungslosigkeit längst an der Zeit. „The Assessment“ nimmt sich dieses Themas an, wenngleich nicht immer mit der notwendigen Präzision und Ernsthaftigkeit. Viele Fragen stehen im Raum, die allesamt faszinierend genug sind, um diesem eigenwilligen und betont düsteren Dreiecksdrama so manch zukunftskritischen Gedanken abzugewinnen. Im Vordergrund steht die im Kontext einer verlorenen Welt verortete Kompetenz, die Folgegeneration anzuleiten. Kindheiten wie diese sehen in Zukunft anders aus als jene, die wir selbst erlebt haben oder wir unmittelbar unserem Nachwuchs mitgeben konnten. Und dennoch kaspert sich Alicia Vikander als undurchsichtige Femme fatale mit profanen Rollenspielen durch einen angezettelten Nervenkrieg, in welchem „Scarlett Witch“ Elizabeth Olsen und Himesh Patel mit konservativem Hausverstand gerade noch mitfechten können. Fleur Fortuné liegt aber sichtlich mehr daran, die eigenen Egos gegeneinander auszuspielen als tatsächlich die Erziehungspolitik einer nahen Zukunft zu hinterfragen. Das merkt man, da das Skript einige Plot Holes mit sich bringt, die am Ende des Films für Verwunderung sorgen und die Plausibilität der Ausgangssituation deutlich in Frage stellen. Ist „The Assessment“ dann eigentlich nur eine Metapher? Worauf genau?
Bevor Fortuné und ihre Skript-Autoren es vergessen, muss natürlich, um als zeitgeistiger Problemfilm nah am Puls der Entwicklungen zu stehen, die Komponente künstlicher Intelligenz genauso mitschwingen wie der sich längst überholt habende Klimawandel. Wie man als wohlbetuchtes Ehepaar mit Kinderwunsch in einer mit falschen Prioritäten überforderten Zukunft seinen Sinn findet, mag „The Assessment“ in satten Interieur-und Landschafts-Settings mit Für und Wieder ausloten – die breit gefächerten Ambitionen lenken aber vom eigentlichen Thema ab, das gut und gerne und eigentlich ausschließlich tiefer hätte gehen können.
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