Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2025
Nach „Heaven“ 2002 und „The International“ 2009 darf Regisseur Tom Tykwer bereits zum dritten Mal die Berlinale eröffnen. „Das Licht“ behandelt Themen von White Privilege, über Flüchtlingsleiden und Trauerbewältigung bis hin zu Generationenkonflikten; und ist damit sehr ambitioniert. Zu ambitioniert.
Berlin, Gegenwart; eine deutsche Familie. Milena Engels (Nicolette Krebitz) düst regelmäßig nach Kenia um dort die Finanzierung eines gemeinnützigen Projektes zu stemmen. Dabei auch entstanden ist ihr drittes Kind Dio, für den sie sich das Sorgerecht teilt. Ihren Mann (Lars Eidinger) kümmert das kaum, die Ehekrise war schon vorher abzusehen. Er arbeitet für eine Werbeagentur, wo er auch nur noch das sagt was andere hören wollen, bevor er zu Hause in Cannabisrauch erstickt. Seine alten Werte hat er längst ad acta gelegt. Tochter Elke (Elke Biesendorfer) haut sich mit ihren Freunden sowieso jede verfügbare Substanz rein, die ihr in die Finger kommt bis das Zeitgefühl komplett verfliegt. Und ihr Zwillingsbruder Jon (Julian Gause) ist ohnehin nur noch halb anwesend, weil er sonst in seiner Virtual Reality versinkt. In ihr Leben tritt (Tala Al-Deen), eine syrische Immigrantin, die bei ihnen putzen soll. Und verändert ihr Leben für immer.
Die Grundidee erinnert unweigerlich an Mary Poppins. Im Gegensatz zum Disney-Klassiker fragt man sich aber ernsthaft warum Tykwer meinte, hier Musicalnummern einzubauen zu müssen. Sogar eine Animationssequenz ziert kurz die Leinwand. Ein Drogentrip sorgt dazu für eine Prise Surrealismus. Alles gut gemeint und vor allem für sich gut gemacht. Nur wirkt alles fehl am Platz. Die Geschichte, die im Kern eigentlich von Farrah handeln sollte (wie das titelgebende Licht gleich zu Beginn suggeriert), will zu viele Themenbereiche abdecken. Anfang und Ende lassen die Vision dieser runden Geschichte erahnen, nur die 160 Minuten dazwischen bilden einen inkohärenten Haufen guter Ansätze. Zum Schluss wird es auch plötzlich fantastisch, was zur Unstimmigkeit beiträgt.
Ich war durchaus überrascht als Tom Tykwer meinte, dass es ihm darum ging, dem Konflikt zwischen älteren und jüngeren Generationen eine Bühne zu geben; der bekommt nämlich gefühlt am wenigsten Aufmerksamkeit. Ein dahingehend sehr gut geschriebener, wenn auch etwas holprig dargebotener Monolog von Elke über die Privilegien reicher weißer Westmenschen ist was die Intention angeht etwas fragwürdig; denn er wirkt ebenso schal in die Kamera gepredigt, wie ihn Tim direkt darauf in einer Werbekampagne verwurstet (inklusive witzigem Cameo von Liv Lisa Fries). Bewegen werden diese Worte nichts, aber es beruhigt das Gewissen, wenn es mal ausgesprochen wird. Ebenso wie Milena im Film damit konfrontiert wird, ob sie im Grunde nur hilft, damit sie sich selbst besser fühlt, frage ich mich ob der Film nicht einen ähnlichen Gedanken verfolgt.
Farrah, inklusive an sich schon klischeehafter Ärztin-zu-Putzfrau Geschichte, rückt dabei ein wenig in den Hintergrund. Der eigentlich emotionale Höhepunkt bleibt stumpf. Ihre fast schon übertrieben pathetisch inszenierte Fluchtsequenz hätte man sich gleichwohl sparen können. Schauspielerisch holt Tala Al-Deen nichtsdestotrotz das beste heraus. Sie ist, neben Nicolette Krebitz, ein klarer Lichtblick des Films.
Ein weiterer, und damit wörtlicher, ist die Kameraarbeit von Christian Almesberger und dessen Inszenierung des, laut Tykwer, „krass unfertigen“ Berlins. So durch und durch schön erstrahlt die deutsche Hauptstadt wohl selten, ob filmisch oder real.
Man muss Tykwers Vision auf jeden Fall loben. Doch wer viel wagt, hat auch viel zu verlieren. Und so entpuppt sich der erhoffte helle Stern nur als Taschenlampe, die in den Himmel leuchtet.