Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
Grenzen und Grauzonen. Nicht überall gibt es klare Unterscheidungen. Gerade in der Altersspanne von Heranwachsenden finden wir dieses Phänomen. Noch nicht ganz reif, dennoch körperlich und juristisch „erwachsen“. Ein Bereich zwischen Jugendlichkeit und Erwachsensein, der an sich bereits herausfordernd ist. Wenn dann noch ein dahinwaberndes Studium dazukommt, ist die Suche nach dem Platz in der Welt ein bekannter Topos, der in „bluish“ den Rahmen bildet.
Lilith Kraxner und Milena Czernovsky sind ein junges, filmschaffendes Duo aus Österreich. Nach „Beatrix“ folgt nun ihr zweiter Streich. „bluish“ zeigt uns die Welt zweier junger Frauen. Errol (Leonie Bramberger) und Sasha (Natasha Goncharova) studieren Kunst und suchen Anschluss. Dabei werden sie mit den Hürden des digitalen Lebens konfrontiert. Sasha scheint noch nicht lang im deutschsprachigen Raum zu leben. Das Smartphone ist ihre Tür zu den Menschen. Durch Übersetzungs- und Navigationssoftware bewegt sie sich im urbanen Leben. Errol hingegen nimmt an Online-Vorlesungen teil. Als sie später auf eine Kommilitonin im Bus trifft, hat sie scheinbar menschliche Interaktion verlernt. Dazu kommen skurrile Augenblicke in Studienseminare. „bluish“ ist mitunter amüsant.
Im unkonventionellen 4:3-Format wird ein episodenhafter Film inszeniert, der durch statische Kamera und extreme Nahaufnahmen auffällt. Immer wieder zeigen sich Oberflächen. Haut ist ein wichtiges Element, auch Glas, Pflanzenblätter und Nägel sind Ausdruck einer Oberflächlichkeit, die von den beiden Jungstudentinnen Besitz genommen hat. Titelgebend ist das häufig auftretende Wasser, das nicht nur im Schwimmbad, sondern auch in der Dusche vorkommt. Vielleicht gelingt durch körperliche auch eine seelische Reinigung. Das flüssige, blaue Nass als Zufluchtsort in einer emotional distanzierten Welt. Nicht zuletzt spielt Einsamkeit eine große Rolle, die ausschließlich in einer Meditation positiv ausgedrückt wird. Spannenderweise verschwimmt dabei auch die Grenze zwischen Filmfiguren und Publikum. Wer kommt wirklich in den meditativen Genuss? Verschwimmende, sich auflösende Grenzen: wahrscheinlich das Thema des Films.
Fazit: „bluish“ unterhält als filmisches Essay mit interessanten Einstellungen und subtilem Humor. Skizzenhafte Kurzepisoden verhandeln die Absurditäten des Alltags und des modernen Lebens zwischen Urbanität und Digitalität. Eine ganzheitliche Handlung fehlt genauso wie Dialog. Beides führt zu beachtlicher Interpretationsarbeit, die sich fernab vom cineastisch gelungenen Handwerk der beiden Regisseurinnen auf die subjektive Ebene reduziert. Kurz: mehrheitsfähig ist diese poetische Parabel keinesfalls, etwas abgewinnen kann man ihr schon. Ein Kunststück mit viel Stückwerk.