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  • Bewertung

    Im Gangstertempel der eingemauerten Stadt

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Wenn die CGI-Materialschlachten aus Hollywood wieder mal fadisieren, lohnt es sich, den Blick nach Hongkong auszuweiten. Da ist noch Farbe, Bewegung und Dynamik in der Kamera. Wie unterhaltsam gut gemachtes Action-Kino sein kann, daran erinnern Soi Cheang und sein furioses Martial-Arts-Epos „Twilight of the Warriors: Walled In“ nur zu gut. So viel sei verraten: für westliche Sehgewohnheiten ist das hier Präsentierte eine cineastische Augenweide. Aus den US-und-A, wo singuläre Ästhetiken zunehmend von einem grässlich gräulichen Zementlook erdrosselt werden, hat man so ein martialisches Spektakel schon lange nicht mehr erleben dürfen.

    Die Stadt muss bleiben

    Basierend auf dem Comicbuch „City of Darkness“ entführt der Film ins Hong Kong der 1980er-Jahre. Vordergründig geht es um Chan Low-kwun (Raymond Lam), einem vom Pech verfolgten Flüchtling, der sich in der titelgebenden Walled City von Kowloon niedergelassen hat. Es herrschen nahezu postapokalyptische Zustände. Um sein Überleben zu sichern, nimmt er in der Unterwelt der verruchten Stadt an Kampfduellen teil. Mit gewissen Gesellen sollte es man sich allerdings nicht verscherzen. Nachdem er einem szenebekannten Dealer Drogen zu entwenden versucht, steht der ausgewiefte Kleinkriminelle plötzlich unter Beschuss. Während er in der Walled City wertvolle Lektionen über Ordnung und Gemeinschaft lernt, hat man es andernorts auf ihn abgesehen. Mr. Big (Asia-Legende Sammo Hung), besagter Dealer, den Low-kyun hinters Licht führte, will die vorherrschende Hierarchie stürzen und die Macht der ummauerten Stadt an sich reißen.

    Überdrehtes Spektakel mit emotionaler Pointe

    Die Schlachten, in denen um den Erhalt der Stadt gekämpft wird, sind überraschend blutig geraten. Wenngleich auch mittels comichafter Überhöhung. Mit jeder Menge Kunstblut, atemberaubenden Choreografien und einer Kamera, die über die Köpfe der Partizipierenden hinwegschwebt, ob mit dem Bike unterwegs oder von einer Maske umhüllt, wird ein rasantes Action-Inferno abgefeuert. Der kindlichen Over-the-Topness klassischer Hong-Kong- und Wushu-Filme, das Erbe der berühmten Shaw-Brüder lässt grüßen, wird angemessen Tribut gezollt. Vermischt wird das mit Spurenelementen des Gangster- und Mafia-Kinos. Heraus kommt da eine mitreißende und ungemein unterhaltsame Martial-Arts-Granate, deren Flickenteppich einer Handlung man bei allem Spaß und spürbarer Spielfreude sämtlicher Beteiligter verkraften kann. Gegen Ende, wenn reale historische Hintergründe angeschnitten werden, darf sogar ein Tränchen verdrückt. Ein wohlverdienter Moment des Pathos.
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    (Christian Pogatetz)
    24.09.2024
    08:15 Uhr