Filmkritik zu It's not me

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  • Bewertung

    C’est pas moi

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Einer der seltsamsten und faszinierendsten Filme der Viennale 2024 ist zweifellos die Kino-Beichte „C’est pas moi“ („Das bin nicht ich“) von Leos Carax, dem Regisseur des grotesken „Holy Motors“ und des an Anspielungen reichen „Annette“.

    Wenn die früheren Filme als Romane bezeichnet werden können, ist dieser eher eine Sammlung von Erzählungen. Er ist wie ein Bewusstseinsstrom aufgebaut, in dem alles sich gegenseitig verändert und ergänzt. Musik, Bild, Geschichte, Text, Atemzug – alles fließt zusammen. Der Film beginnt mit einer Frage: „Das Museum ‘piip’ hat mich gebeten, die Frage zu beantworten, ‘Wo sind Sie, Herr Leos Kara…’“ – die Frage bricht ab, und ich bekomme das Gefühl, dass die Frage noch weiterging, aber der Regisseur entschied sich, bei „Wo bin ich?“ innezuhalten.

    Die Synopse des Films zu beschreiben, ist undankbar – man muss ihn sehen. Auf den ersten Blick scheint alles reiner Chaos, aber im Grunde ist es eine überraschend strukturierte persönliche Geschichte. Wo beginnt die Persönlichkeit des Regisseurs und wo endet sie? Wer ist der Vater? Woher kommst du?

    Gedanke für Gedanke, Wort für Wort, Bild für Bild. Durch den gesamten Film zieht sich wie ein Roter Faden der Krieg. Künstlerische Parallelen durch Archivaufnahmen verbinden Vergangenheit mit Gegenwart. Hier liest eine Frau den Kindern eine Geschichte darüber vor, wie Hitler entschied, alle „Anderen“ an einen Ort zu bringen, „wie ein Sommerlager“, sie einzuladen zu duschen und dort das Gas einzuschalten. Hier ist Hitler, hier die Menge, die jubelt. Hier spricht Putin „Eins, zwei, drei“, und hier ist die Menge, die jubelt. Hier fliegen Jäger aus dem Zweiten Weltkrieg in Archivaufnahmen und werfen Bomben ab. Hier – ein zerbombter moderner Wohnblock. Hier – Ausschnitte von Chaplins schwarz-weißen Filmen, in denen er nach Amerika reist, und hier – das Foto eines kleinen Jungen in roten Shorts, dessen Körper mit dem Gesicht im Sand an einen Strand gespült wird.

    Carax führt den Zuschauer geschickt durch den Strom des Persönlichen zum Universellen, durch das Universelle über Jahrhunderte hinweg wieder zurück zum Persönlichen im Hier und Jetzt.

    Und das Ganze ist ein Selbstporträt oder ein Bündel von Gedanken, Bildern, Bedeutungen – ein sorgfältig geplanter Wahnsinn, der das Publikum in den Abspann versinken lässt und denen, die bis zum Ende bleiben, ein „Easter Egg“ hinterlässt: die Puppe Annette, die zu Bowies Hit tanzt, geführt von Händen in Schwarz, und sich schließlich befreit.
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    10.01.2025
    16:57 Uhr
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