Filmkritik zu Tron: Ares

Bilder: The Walt Disney Company Fotos: The Walt Disney Company
  • Bewertung

    Stroboskop der Ideenlosigkeit

    Exklusiv für Uncut
    Wir schreiben das Jahr 1982. Freundschaften pflegt man per Haustelefon, Handys sind Zukunftsmusik und Smart Watches piepen nicht, wenn die Anzahl der Tagesschritte erreicht wurde. Und doch ist es eine Zäsur in der Geschichte – neue Technologien erobern Wohnzimmer und Kinosaal. Mit dem Commodore64 erblickt einer der meistverkauften Computer das Blaulicht der Welt und das Kino transportiert Jeff Bridges als Kevin Flynn in eine digitale Umgebung namens ‚Grid‘. Der erste Tron-Teil (1982) gilt als Meilenstein computergenerierter Filmeffekte. Dabei reden wir nicht von wenigen Passagen mit digitaler Tricktechnik, sondern von über 20 Minuten mit Computer-Hintergrund. Heutzutage wirkt diese Thematik wie ein Relikt vergangener Tage, für die einen Computerkult, für die anderen der Anfang vom Ende. Das Ende der Aufklärung, das Ende analoger Lebendigkeit. Es war die Vision der Tech-Gurus, dessen Neotechnologien sich längst in den Alltag und ins Kino eingeschrieben haben. Mit Blick auf die erfolgreichsten Blockbuster sind uns digitale Künstlichkeiten wohlbekannt.

    Jetzt – gut vier Jahrzehnte nach dem ersten Teil und nach dem eher mittelprächtigen, mit 400 Mio. USD aber halbwegs erfolgreichen „Tron: Legacy“ aus 2010 - manifestiert Disney ein weiteres kleines Franchise. Das ehemals innovative Zeichentrickstudio tut sich mit dieser dritten Auskopplung aber keinen Gefallen, weil „Tron: Ares“ an die Stelle guter Geschichten eine überdimensionierte Action-Reise setzt, die bei Julian Dillinger beginnt – gespielt von Evan Peters (bekannt aus der X-Men-Reboot-Reihe). Er plant den großen Coup für seine Rüstungsfirma: den Verkauf des Übermenschen-KI-Soldaten namens Ares (Jared Leto). Problem: seine Neuerfindung aus dem Computer zersetzt sich nach 29 Minuten in unzählige Pixel und verschwindet. Hardware retransformiert in Software. Die perfekte Lösung dafür wäre der Permanenz-Code, an dem auch die Wissenschaftlerin Eve Kim (Greta Lee) arbeitet. Mit diesem leben die Computermenschen permanent in der analogen Welt. Sodann ergeben sich diverse IT-Störungen: die KI beginnt mit Denken, Fühlen, Hinterfragen, der Code muss gefunden werden und am Ende gerät alles außer Kontrolle.

    Was wie eine abgedroschene 0815-Story klingt, ist genau eine ebensolche. Plattitüden und Schablonen. Mehr haben die nichtigen Charaktere und törichten Dialoge nicht zu bieten: „Du heißt Ares? Oh, dann bist du Grieche.“ Evan Peters ist der verrückte Code-Professor, der mithilfe von albernen Hyper-3D-Druckern im 5-Minute-Takt irgendeinen Vehikel- oder Menschen-Bausatz aus der Digitalwelt ins Reale holt. Wenn er nicht gerade mit Wizard-of-Oz-Riesenschädel zu seinem KI-Soldaten spricht. Jared Leto hingegen hat mal wieder das Stopp-Schild in der Hand: „Achtung, wenn ich in einem Film bin, meiden Sie diesen bitte großräumig.“ Der einst hochgelobte Schauspieler mit dem Oscar für „Dallas Buyers Club“ wählt seit knapp einem Jahrzehnt ausschließlich schlechte Casting-Entscheidungen. Genauso wie Greta Lee, die in „Past Lives“ unglaublich gut spielte, und hier verschenkt ist. Am Ende serviert Jeff Bridges in einer quasireligiösen Reprise eine Portion Fan-Nostalgie. Und ach ja, dann gäbe es Gillian Anderson: mit der Mutterfigur des Tech-Antagonisten weiß das Drehbuchteam nichts anzufangen.

    Letztlich hat diese futuristische Digitalstory nichts beizutragen. Weder zur Debatte um kontroverse Tech-Oligarchen. Noch zur ethischen Frage, inwieweit Digitalität unser Menschsein beeinflusst. Auch nicht, wie Digitalität das Medium Film prägt. Oder im Hinblick auf das Wechselspiel zwischen Soft- und Hardware. Dass Sensualismus für Menschen eine höhere Relevanz als für Maschinenwesen hat, dass moralische Dilemmata eine Hürde für Künstliche Intelligenz darstellt - alles keine neue Erkenntnisse. Bis auf Küchenpsychologie herrscht pure intellektuelle Banalität, und auch die angedeutete Lovestory darf nicht fehlen. Disney ist wieder in den filmischen Fettnapf getreten, der größer sein könnte als gewollt. Die jüngere Generation, die vielleicht von der hektisch-visuellen Textur angesprochen wird, meidet den Film womöglich wegen Jared Leto, dessen rigide Method Acting-Methoden und dessen Aussagen zum Ukraine-Krieg auf Konzerten seiner Band „30 Seconds to Mars“ einige Kritik hervorrief.
    Ganz im Gegensatz zu den gelungenen Effekten, die allseits mit Recht gepriesen werden. Gedreht in Vancouver erleben wir eine glänzende Realwelt, die sich mit der hygienischen Digitalwelt abwechselt. Die Actionsequenzen, insbesondere eine brachiale Motobike-Verfolgungsjagd samt bunter Lichtmauern, sind schnell geschnitten und im Kino tatsächlich immersiv. Regisseur Joachim Rønning und Kameramann Jeff Cronenweth finden eine teils eindrucksvolle Visualität. Dazu gehört auch der Elektro-Bass-Sound der Nine Inch Nails, die die Spuren des ikonischen Daft Punk-Soundtracks aus Teil zwei voll ausfüllen. Fans kommen sicherlich auf ihre Kosten.

    Fazit: Mit seinen dunklen Motorradvisieren, seiner hypermodernen Action und den kreiselnden Kamerafahrten will „Tron: Ares“ so unglaublich cool sein… ist aber vor allem anstrengend! Es flimmert und blitzt in dieser Stroboskop-Hochglanzwelt, als ob sich ein roter Laserpointer für 120 Minuten ins Auge des Publikums brennt. Als einziger Pluspunkt dröhnt der mitreißende Bass der Nine Inch Nails, während programmierte Charaktere ohne menschliches Koordinatensystem so lange umherirren, bis sie in das letzte, vorhersehbare Filmdrittel stolpern. Seit Tron (1982) hat sich die Filmtechnik rasant weiterentwickelt. Doch Tron: Ares zeigt: Technischer Fortschritt ersetzt keine Substanz.
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    (André Masannek)
    08.10.2025
    22:44 Uhr
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