Bilder: Studio Brauneis Fotos: Studio Brauneis
  • Bewertung

    Sozialkritische Satire mit Biss und Stil

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    Sebastian Brauneis ist seit 2018 mehr oder weniger Dauergast auf der Diagonale. Doch mit zunehmender Bekanntheit wird sein Filmbudget immer überschaubarer. Sein fantastisches Regie-Debut „Zauberer“, nach einer Erzählung von Clemens J. Setz, erfüllte noch gängige Kriterien, die man an einen österreichischen Film stellen könnte: geistreich, genüsslich und gefördert. Doch seit 2020 dreht Brauneis seine Filme ohne Förderung, was wohl auch heißt: ohne Budget. Seine Filme lassen sich dennoch gut ansehen, so auch sein neuestes Werk „Die Vermieterin“, mit dem der ehrgeizige Regisseur wieder einmal beweist, ein Film ist weit mehr als die Summe seiner… Summe.

    „Die Vermieterin“ glänzt mit einem großartigen Cast, der sich bereits zum wiederholten Male loyal gegenüber dem Regisseur zeigt. Auch ohne Budget muss Brauneins nicht auf große Namen verzichten. Margarete Tiesel, die gerade mit dem Großen Diagonale-Schauspielpreis ausgezeichnet wurde, spielt die gierige Vermieterin. Ihre Opponentin verkörpert Marlene Hauser, die auf der diesjährigen Diagonale neben „Die Vermieterin“ auch in David Lapuchs Kurzfilm-Gewinner „Cornetto im Gras“ zu sehen war. Während sich die beiden als Vermieterin und Mieterin ein aberwitziges Katz-und-Maus-Spiel liefern, bestechen auch Lukas Watzl und Laura Hermann in ihren Rollen, die das Geschehen des Films mit ihren Handlungen dominieren.

    Alles beginnt am Tennisplatz, wo Liliane (Margarete Tiesel) ihrer Freundin Adelheid (Michou Friesz) klagt, dass ihr von ihrer großzügigen Witwenpension dank der gestiegenen Fixkosten ihrer geerbten Immobilien kaum mehr was übrigbleibt. Eine zusätzliche Einnahmequelle muss also her und so gelangt die von der ungeliebten Schwiegermama geerbte Wohnung zur Miete. Sehr zur Freude der Schauspielerin Johanna (Marlene Hauser), die bereits mehrere erfolglose Monate der Wohnungssuche hinter sich hat. Doch nach dem Einzug wird daraus bald mehr Leid als Freud. Denn Liliane hat noch eine Bekanntschaft am Tennisplatz geschlossen, nämlich mit dem gewieften Immobilienberater und Hochstapler, der Liliane große Hoffnungen macht, mehr als nur Mieteinnahmen aus dem bescheidenen Börserl der Mieterin zu ziehen.

    Die Idee für den Film kam Brauneis letztes Jahr, als ein Delogierungsbescheid in seine Wohnung flatterte, der Brauneis um sein Zuhause brachte. Als Filmemacher verstieß Brauneis allerdings gegen gleich zwei der drei goldenen Regeln, um sich für eine neue Mietwohnung zu qualifizieren: „nix mit Kunst“, „nix mit selbstständig“. Die zerschmetternden Erfahrungen auf dem Wiener Wohnungsmarkt waren aber zumindest nicht umsonst, sondern waren die Grundlage für einen Film, der an Aktualität wohl kaum zu überbieten ist. Und weil das so ist, kommt nicht nur der Film ohne Budget aus, sondern auch das Marketing für den Film. Fast täglich werden auf den Social-Media-Kanälen von „Die Vermieterin“ Schlagzeilen aus Tageszeitungen gepostet, die sich mit der geplatzten Mietpreisbremse beschäftigen.

    Mit dem Film setzt Brauneis also ein Zeichen, das versucht, mit den oberen Zehntausend abzurechnen, während diese uns einen Strich durch unsere Rechnung machen. Denn diese Rechnung geht längst nicht mehr auf und dennoch weigert sich die Politik hierzulande, den Mieter*innen den Rücken zu stärken. Doch der Film zeigt diese Missstände nicht als großes Ganzes auf, sondern anhand einer Einzelgeschichte, die es schafft, die sozialkritische Botschaft wahnsinnig unterhaltsam, humorvoll und kurzweilig rüberzubringen. Dabei ist der Film trotz seinem bescheidenen Budget auch noch sehr stilsicher. Der geschniegelte Regisseur hat einen Sinn für Ästhetik, der auch in seinen Filmen eine zentrale Rolle spielt. Dabei ist seine Vorliebe für französische Filme aus den 1960ern kaum zu übersehen und verleiht dem Film einen charmanten Touch, den er gekonnt mit Wiener Schmäh und Wiener Grant verbindet.

    Alles in allem, eine große Filmempfehlung, die auf der Diagonale hoffentlich nur zum ersten Mal auf der großen Leinwand zu bewundern war, nicht aber zum letzten Mal.
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    (Marina Ortner)
    09.04.2023
    09:01 Uhr
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