Filmkritik zu The Adults

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  • Bewertung

    Darf man ewig ein Kindskopf sein?

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Geschwisterbeziehungen sind so eine Sache: sie mögen manchmal unsere Nerven strapazieren, unsere Meinungen und Ideale herausfordern, am Ende sind es aber meist dennoch die Kontakte, die uns das gesamte Leben lang begleiten - in guten wie in schlechten Zeiten. Wie aber alle Beziehungen nehmen sie über die Jahre eine andere Gestalt an, Dynamiken aus alten Tagen lassen sich eben nicht nach eigenem Belieben auf Knopfdruck wieder aufwärmen. Das müssen die drei zentralen Figuren in „The Adults“, dem aktuellsten Film von Indie-Regisseur Dustin Guy Defa („Person to Person“), ebenfalls realisieren.

    Im Mittelpunkt steht Eric (ein hervorragender Michael Cera), der nach mehrjähriger Abwesenheit seiner Heimatstadt einen Besuch abstattet. Die genauen Gründe für die Visite werden nur vage angedeutet. Jedenfalls scheint der schroffe Mittdreißiger mehr daran interessiert zu sein, seine Fähigkeiten als Pokerspieler aufzuwerten, als Zeit mit seinen zwei Schwestern zu verbringen. Notgedrungen kommt es dann doch zum Treffen mit Rachel (Hannah Gross: entzückend) und Nesthäckchen Maggie (Sophie Lillis: ebenfalls toll) - zunächst als Vorwand um einem anderen Termin zu umgehen. Doch dann kommen nie geklärte Familienkonflikte zum Vorschein, die von den drei Kindsköpfen mit juvenilen Ritualen alter Tage überspielt werden. Es wird aber nie wieder wie früher, manche Wunden heilt eben nicht einmal die Zeit.

    Ohne genauere Erklärungen und Hintergründe wirft der Film einen sofort in den geschwisterlichen Subkosmos hinein - und das ist gut so. Defa verzichtet nämlich auf weitverbreitete Erzählklischees ähnlich ausgelegter Tragikomödien über dysfunktionale Familien und erschafft eine Atmosphäre, in der sich das meiste zwischen den Zeilen ergibt. Etablierte Dynamiken, vergangene Schicksalsschläge und daraus resultierte Kommunikationsprobleme lassen sich aus Blicken der Beteiligten (und dem großartigen Zwischenspiel der Akteure) herausdeuten. Denkwürdig bleibt vor allem eine virtuos choreografierte Tanzszene, die einer der wenigen Momente darstellt, in denen das Geschwistertrio sich zu einer Einheit erhebt. Oberflächlich betrachtet mag „The Adults“ wie eine prototypisch quirlige Indie-Komödie aus den USA erscheinen. Unter der verspielt-amüsanten Hülle verbirgt sich aber ein sich langsam entfaltendes, überaus effektiv aufbereitetes Drama, dessen Beobachtungen zur Entwicklung von Geschwisterverhältnissen am Kern der Wahrheit schrammen. Tieftraurig und bewegend.
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    (Christian Pogatetz)
    28.02.2023
    21:23 Uhr