Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
Man kann sich in den letzten Jahren kaum retten vor Bearbeitungen des Sisi-Stoffes. Ob als Nacherzählung des bekannten Mythos oder als dessen Dekonstruktion, ob im Fernsehen, im Streaming oder im Kino: Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn ist überall. Und so reiht sich auch Frauke Finsterwalders „Sisi & Ich“ in die lange Tradition der Filme über die Monarchin ein, die spätestens durch die Verkörperungen von Romy Schneider in den 1950er-Jahren im kulturellen Gedächtnis fest verankert ist. „Sisi & Ich“ ist Finsterwalders erster Film, seit sie 2013 bei ihrem Spielfilmdebüt „Finsterworld“ Regie führte, und auch diesmal entstand das Drehbuch wieder in Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann Christian Kracht.
Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller) bewirbt sich auf Drängen ihrer Mutter um eine Stelle als Hofdame von Kaiserin Elisabeth (Susanne Wolff). Nachdem sie eine Reihe an quasi-militärischen Aufnahmetests hinter sich gebracht hat, darf Irma Elisabeth auf ihren Reisen begleiten. Der Kaiserin und ihrer neuen Hofdame folgt der Film nach Griechenland, Algerien und England, während Kaiser Franz Joseph und andere Männer über weite Strecken abwesend bleiben.
Gleich vorweg: Natürlich drängt sich der Vergleich mit anderen Sisi-Verfilmungen auf, insbesondere mit Marie Kreutzers erst vor wenigen Monaten veröffentlichten „Corsage“. Beide Filme versuchen die lange Tradition der Sisi-Geschichte aufzubrechen und ihr eine neue, moderne, feministische Perspektive hinzuzufügen. Das tun sie, indem sie die Kaiserin und – im Fall von „Sisi & Ich“ – ihre Hofdame in den Mittelpunkt stellen und die Beziehung zu Kaiser Franz Joseph nur im Hintergrund und vor allem kritisch thematisiert wird. „Sisi & Ich“ unterscheidet sich von „Corsage“ wiederum vor allem darin, dass er deutlich stärker mit Humor arbeitet, der leider häufig die Grenze zum Klamauk überschreitet.
Die Darsteller*innen sind dabei weitestgehend überzeugend, wir haben es nicht umsonst mit einigen der größten Namen des deutschsprachigen Schauspiels zu tun: Sandra Hüller spielt die naiv-dümmliche Hofdame Irma, die mit den Gepflogenheiten des Hofes nicht vertraut ist und von ihrer enttäuschten wie verzweifelten Mutter in diese Anstellung gedrängt wird. Susanne Wolff als Kaiserin Elisabeth, die Irma erst mit absurden Tests und später mit abenteuerlichen Diäten und Drogentrips das Leben zur Hölle macht. Und Georg Friedrich taucht als schwuler Erzherzog Ludwig Viktor auf, der seine von Skandalen geprägte Außenseiterrolle am Hof sichtlich genießt und eher wie eine Karikatur wirkt.
Ansonsten stellen Popsongs und modern interpretierte Kostüme eine erfrischende Ahistorizität her, die durch beeindruckende 16mm-Filmaufnahmen der sommerlichen Handlungsorte ergänzt werden. Visuell bietet „Sisi & Ich“ durchaus einiges, es stellt sich jedoch die Frage, was am Ende über die Kaiserin oder über die Monarchie im Allgemeinen gesagt werden soll. Während das höfische Gehabe zu Beginn noch in seiner Unsinnigkeit ausgestellt wird, folgt der Film später sehr konventionellen Erzählmustern. Es wird keine Positionierung zur Monarchie deutlich. Genauso wenig erzählt der Film von Sisis spezifischer Rolle als Frau in den gegebenen Strukturen, wie es etwa „Corsage“ noch deutlich stärker gemacht hat.
„Sisi & Ich“ ist kompetentes Schauspielkino mit schön anzusehenden Bildern, die aber auch bloß Ausdruck eines Monarchie-Kitschs sind, von dem man sich doch eigentlich emanzipieren möchte. Die anachronistischen Spielereien und die überzeichneten Hauptfiguren können nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Sisi-Diskurs wenig Neues hinzugefügt wird.