Filmkritik zu BlackBerry

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  • Bewertung

    Ein Handy verändert die Welt

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Ein Minicomputer, der sich in der Hosentasche tragen lässt und einen binnen Sekunden in die endlosen Weiten des World Wide Webs befördert: was einst wie eine Schnapsidee geklungen haben muss, ist seit letztem Jahrzehnt ein nicht wegzudenkender Teil unser aller Alltag. Die Erfindung des Smartphones hat die Menschheit im Sturm erobert – und zehrt seither als Sinnbild digitaler Reizüberflutung an der Aufmerksamkeitsspanne vieler. Bevor aber Apple, Android und Co. ihre bis heute erfolgreichen Modelle präsentierten, war es eine unscheinbare kanadische Firma, die dieses Monstrum technischer Innovation erst auf den Markt losließ: BlackBerry (damals noch mit Tastatur statt Touchpad). Doch so raketenhaft der Aufstieg des Handyherstellers auch gewesen sein mag, so spektakulär war auch sein Niedergang. Die Konkurrenz wurde zu groß, die Umsätze zu klein. Ein Stoff, der quasi prädestiniert für einen Kinofilm ist. Dieser Aufgabe hat sich der kanadische Indie-Regisseur Matt Johnson angenommen, der zuvor mit den Mockumentaries „The Dirties“ und „Operation Avalanche“ einen Namen für sich erarbeitet hatte.

    Das schlicht „BlackBerry“ betitelte Biopic zeichnet die wechselhafte Historie des Unternehmens nach. Es ist die Story einer Gruppe von simplen Nerds, deren futuristisches Spielzeug die Tech-Welt revolutionierte – und deren Moral letztlich durch die leeren Versprechen eines prototypischen Wallstreet-Hais korrumpiert wurde. Diese findet ihren Anfang im Jahr 1996, als IT-Ingenieur Mike Lazaradis (Jay Baruchel) die Idee entwickelt, Mobiltelefone internetfähig zu machen. Als Lazaradis und sein bester Freund Doug (Regisseur Johnson) ihre Vorstellung dem Geschäftsmann Jim Balsillie (Glenn Howerton) schildern, der von Beginn an keinen Hehl aus seinen geldgierigen Absichten macht, zeigt sich dieser anfangs wenig begeistert. Je mehr sich aber das Genie hinter Lazaradis‘ schrulliger Geek-Fassade offenbart, desto mehr beginnen die Dollar-Zeichen in Basilles Augen zu leuchten. Der jähzornige Unternehmer steigt mit den Nerds von nebenan ins Geschäft ein, der Rest ist Geschichte. Und zwar eine Geschichte, in der bald schon jegliche Skrupel links liegen gelassen werden.

    Johnson präsentiert den blitzartigen Aufstieg der Handymarke über eine äußert ansprechende audiovisuelle Aufmachung, die sich aus ästhetischen Gimmicks, flotten Schnitten und präzise verwendeter Hintergrundmusik zusammensetzt. Das Drehbuch besticht durch höchst amüsante, geschliffene Wortgefechte, die das Tempo auf Trab halten. Je näher der Film in der Timeline aber an den unvermeidbaren Zusammenbruch des digitalisierten Kartenhauses, das sich BlackBerry einst aufgebaut hatte, heranrückt, desto ernster wird der Ton. Der Wechsel zwischen leichtfüßiger Satire über eine Männerdomäne, die sozial unbeholfene Nerds über Nacht zu Millionären machte, hin zur Tragödie über Verrat, Versagen und Freundschaftsbruch gelingt dem Film mühelos. Neben der schnörkellosen Inszenierung und dem vergnüglichen Skript ist dies vor allem einer hervorragenden Besetzung zu verdanken. Die Entscheidung, primär für Comedy bekannte Akteure in den Hauptrollen zu casten, erweist sich als absoluter Geniestreich. Jay Baruchel, bekanntgeworden als Bestandteil der Apatow’schen Clique rund um Namen wie Seth Rogen oder Jonah Hill, verkörpert die Wandlung vom schüchternen Geek hin zum selbstbestimmten Tech-Revolutionär mit überzeugender Zurückhaltung. Ihm gegenüber steht das deutlich lautere Spiel von Glenn Howerton. Der mit der Erfolgssitcom „It’s Always Sunny in Philadelphia“ assoziierte Schauspieler überragt das Ensemble als halbglatziger, hinterhältiger Choleriker, dessen psychotische Präsenz deutliche Spuren im Arbeitsklima der Handyfirma hinterlässt. Eine einprägsame Darbietung, die dem Serienstar neue Türen in Hollywood öffnen wird.

    Nun könnte man der Filmbiografie vorwerfen, dass sie den Verlauf der Ereignisse etwas schablonenhaft abspielt – klare Vorbilder wie „Wall Street“ und „The Social Network“ lassen sich kaum von der Hand weisen. Letzen Endes bleibt „BlackBerry“ aber viel zu gut gemacht, um sich an der erwartbaren Dramaturgie zu stören. Eine brillant in Szene gesetzte, großartig gespielte und vor allen Dingen höchst unterhaltsame Nacherzählung einer kleinen, kanadischen Firma, deren Jahrtausenderfindung prompt vom nächsten großen Ding abgelöst wurde. Wer sich in der Welt der Tech-Giganten nicht stetig neuerfindet, verliert am Ende ja bekanntlich.
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    (Christian Pogatetz)
    22.02.2023
    19:09 Uhr