Filmkritik zu Infinity Pool

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    Blut und Beuschel Arthouse

    Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
    „Infinity Pool“ von Brandon Cronenberg, Sohn von David, wurde auf diversen Social-Media-Plattformen schon sehnsüchtig erwartet, in der Hoffnung etwas wirklich surreal-abgefahren-Grausames geboten zu bekommen. Diese Erwartung löst „Infinity Pool“ absolut ein. Doch ist es mehr als das?

    James Foster (Alexander Skarsgård), Schriftsteller mit mehrjähriger Schreibblockade und seine Frau Em (Cleopatra Coleman) verbringen ihren Urlaub in einem Ferienressort der fiktiven Insel namens La Tolqa. James erwartet sich dort Inspiration für seinen zweiten Roman, tatsächlich aber scheint die steril-luxuriöse Atmosphäre mit dem ewig lächelnden Servicepersonal, und der stumpfen All inklusive Routine wenig dazu beitragen zu können. Bis James von Gabi (Mia Goth) angesprochen wird: Sie ist ein Fan seines Debütromans und schlägt vor, gemeinsam mit ihrem Mann Alban am nächsten Tag die Insel zu erkunden.

    Eigentlich ist es nicht erlaubt die Ferien-Enklave zu verlassen, da das Land „unzivilisiert“ ist, wie es heißt, und das Ressort von Stacheldraht umgeben ist, zum Schutz der Touristen. Aber nachdem Gabi und Alban bereits mehrfach auf der Insel waren, geht James das Risiko ein, obwohl Em skeptisch ist. Nach einem Tag voller Sonne, Alkohol und Handlungen, die die Altersfreigabe des Filmes empfindlich nach oben schrauben, läuft ihnen auf dem Rückweg ein Einheimischer ins Auto, er ist auf der Stelle tot. Auf ein solches Delikt, auch wenn es ein Unfall war, steht in La Tolqa die Todesstrafe, die sofort, ohne Prozess, vollstreckt wird. Es sei denn, man zahlt für einen Klon, der nach dem eigenen Abbild gefertigt wird, und lässt diesen hinrichten…

    Soweit, so schräg. Die beißende Gesellschaftskritik an Touristen, die denken, sie können sich nicht nur ein Urlaubsparadies, sondern auch sich selbst von Sünden (frei)kaufen trifft auf die philosophische Frage, wie es moralisch zu betrachten ist, sich klonen und töten zu lassen - und dabei zusehen zu müssen. Und was, wenn man doch selbst getötet wird, und nur der Klon weiterlebt? Cronenberg hält sich weder bei der einen noch bei der anderen doch relativ komplexen Thematik länger auf, sie ist von geringem Interesse für ihn, er erklärt nicht einmal, wie das mit dem Klonen so vor sich geht. Befinden wir uns in einem Traum, sind wird in der Zukunft? Oder ist dieses „unzivilisierte“ Land, warum auch immer, technisch schon um so vieles weiter als die restliche Welt?

    Würde Cronenberg diesen Fragen Aufmerksamkeit schenken, wäre daraus ein anderer und meines Erachtens besserer Film geworden. Denn die erste halbe Stunde, die sich in diese Richtung entwickelt, ist sensationell gut, nur um sich dann, von einer Minute auf die andere, in eine psychodelische Blut-Oper zu verwandeln. Drogenrausch folgt auf Massaker und sexuelle Orgie, dann wieder zurück. Anklänge an David Lynch sind zu verzeichnen, der Überfall auf einen Villenbesitzer gemahnt gar an Alex Delarge und seine Droogs aus „Clockwork Orange“ – nur Beethoven fehlt. Doch insgesamt ergibt nichts mehr Sinn und die behutsam eingeführten Protagonist*innen werden zu Abziehbildern ihrer selbst – vielleicht auch gewollt im Klon-Kontext.

    Die Darsteller*innen haben offensichtlich kein Problem damit, die mehr und mehr sinnlehren Dialoge aufzusagen, speziell Mia Goth ist beeindruckend lasziv-verstörend bis bedrohlich. Skarsgård kippt im Laufe der Zeit ein bisschen aus dem Film. Und wenn es um Vermittlung eines totalitären Regelwerkes geht, nimmt man offenbar immer wieder gerne einen Deutschen: hier Thomas Kretschmann. Man kann nicht umhin, an ihn als Offizier in „Der Pianist“ zu denken.

    Die Endsequenz von „Infinity Pool“ ist dann wieder gelungen und atmosphärisch beeindruckend, aber zwischen den ersten dreißig und den letzten fünf Minuten liegt durchaus ein Problem, wenn (!) man kein ausgewiesener Horror-Fan ist. Als Fan erwartet man vermutlich genau das– Splatter, Morphing, visuelle Sinnesreize bis zur Epilepsiegefahr, Schreie, Blut, Chaos. Und kommt dann durchaus auf seine Kosten.

    Fazit: Für Freunde der gepflegten Genre-Exzentrik.
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    (Heidi Siller)
    25.01.2023
    13:35 Uhr
    Autorin der monatlichen Kolumne „Heidi@Home“ rund ums Thema „Fernsehserien“.