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  • Bewertung

    Ein solider Hitmix zum Abschluss

    Exklusiv für Uncut
    Für die eingefleischten Fans wohl kalter Kaffee, dennoch muss eine kurze Einordnung vorangestellt werden. Bei „Guardians of the Galaxy – Vol. 3“ sprechen wir vom 32. Film des Marvel Cinematic Universe (MCU) – eine Filmwelt, die unglaubliche 28,6 Mrd. USD eingespielt hat – und wir befinden uns in der Phase Fünf. Doch nach dem Ende der Avengers-Saga (Phase 3) will sich bei Marvel kein neuer Erfolg einstellen. Die letzten Werke, denen es an prätentiösen Titeln nicht mangelt, namens „Thor – Love and Thunder“, „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ und „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ sind mehr oder weniger bei Kritik und Publikum durchgefallen. Ganz im Gegensatz zu den Guardians, die durchweg positiv bewertet werden und eine große Fangemeinde um sich scharen. Die beliebte Space-Gangster-Truppe durchzieht ein dramaturgisch anderer Stil - insofern, dass es keine klassischen Haargel-Helden gibt, sondern eine Gruppe zerstreuter Leute mit teils krimineller Vergangenheit, eher Antihelden. Weniger klassisches Gut-Böse-, Held-Bösewicht-Schema, mehr Star-Wars-ähnliche Gruppenabenteuer. Gelingt diese Melange auch ein drittes Mal?

    Und so begeben wir uns im (vorerst finalen) Abschluss der Guardians-Reihe auf eine neue Reise, die mit einem Paukenschlag beginnt. Rocket wird im Guardians-Headquarter Knowhere von Adam Warlord (Will Poulter) verletzt und die Guardians müssen sich erneut zusammenraufen, um ihrem tierischen Freund zu helfen. Auf der Odyssey durch seltsame Welten mit noch seltsameren Wesen geraten sie tiefer in Rockets Charakter, dessen tierexperimentelle Vergangenheit den emotionalen Tiefenkern des Films bildet. Gezüchtet vom High Evolutionary (nah am Overacting, aber erstaunlich fesselnd: Chukwudi Iwuji), einem technokratischen Wissenschaftler, muss Rocket dem Antagonisten Paroli bieten, alte Wunden lecken und zusammen mit seinen Freund*innen im Arche-Noad-Prinzip Menschen und Tiere retten.

    Zurück bei Marvel und nach den ersten beiden Teilen 2014 und 2017 auch wieder Autor-Regisseur des dritten Teils ist James Gunn, der aber zwischendurch einen kurzen Abstecher ins DCU für „The Suicide Squad“ nach der Entlassung von Marvel gemacht hat – und im Übrigen jetzt auch wieder als DC-Chef dahin zurückkehrt. Nach dem Bekanntwerden von 10 Jahre alten Tweets, in denen sich Gunn über Pädophilie lustig gemacht hat, erfolgte die Kündigung im Sommer 2018. Später erklärte er, diese Äußerungen absichtlich getätigt zu haben, um „Reaktionen zu erzeugen“. Nunja, er wurde rehabilitiert, aber es bleibt ein Geschmäckle. Neben Regisseur Gunn sind auch alle alten Guardians-Mitgliedern an Bord: Chris Pratt als Star-Lord bzw. Peter, Zoe Saldana als Gamora (als eine jüngere Gamora-Version, die Original-Version existiert seit „Avengers: Infinity War“ nicht mehr), Dave Bautista als Drax, der wortkarge Baum Groot (gesprochen von Vin Diesel) und der wilde Waschbär Rocket (gesprochen von Bradley Cooper). Neu im Team sind Nebula (Karen Gillian) und Mantis (Pom Klementieff), bekannte MCU-Charaktere. Ohne Vorkenntnisse verwirrt und erschlägt diese fulminante Anzahl an Charakteren und dennoch gelingt es, jeder Figur ausreichend Screen-Time zu geben. Guardians hebt sich hier vom One-Liner-Avengers-Einheitsbrei ab. Das Drehbuch wirkt eleganter, zielstrebiger und substantieller, der Film ist eben kein klassischer MCU-Abklatsch, sondern selbstironisch sympathisch. Nebula und Rocket machen plausible Charakterentwicklungen durch und Dave Bautista als Drax feuert starke Gags ab. Humor wird großgeschrieben.

    Doch das war noch nicht das Highlight. Im Stile von 80er/90er-Sci-Fi-Serien besticht der Film durch weitgehend authentische Kulissen und Kostüme. Eine Augenweide sind die Masken, die detailliert und präzise gestaltet nicht nur am Computer entstanden. Höhepunkt ist eine organische Weltraumstation mit Fatsuit-Anzügen. Der skurrilen Kreativität mit einem Haufen obskurer Wesen sind keine Grenzen gesetzt. Bisweilen rutscht der Film hier in Body Horror mit verstörend entstellten Tieren und Anthropomorphen ab, diese düstere Note wird polarisieren.

    Natürlich verfällt das Ende, abgesehen von einer coolen Plansequenz, in eine Materialschlacht, natürlich stellt sich bei 150 Minuten die ein oder andere Redundanz ein, natürlich gibt es vorhersehbare Ereignisse und natürlich erzeugt die Rocket-Origin-Story in Blockbuster-Manier vielleicht ein Zuviel an Pathos, ein Zuviel an sentimentalen Tierbabies und natürlich ist die Action mitunter wirr zerschnitten. Dass der 32. Teil einer Filmwelt kein Meisterwerk wird, war abzusehen - und trotzdem ist dieses Plädoyer für Diversität, für Tierschutz und für Familie gelungen und unterhaltsam.

    „Guardians of the Galaxy – Vol. 3“ ist eine verrückte Weltraum-Oper, die beiderlei abholt: Guardians-Fans auf der Suche nach einem soliden Ende ihrer liebgewonnenen Charaktere und Genre-Fans auf der Suche nach humorvoller Old-School-Science-Fiction. Es ist ein chaotischer Hitmix, der nicht nach gängiger Marvel-Formel funktioniert. Ein Film mit Herz, mit Kostümen, mit Masken, weniger artifiziell, mit Liebe zum Detail – und mit Liebe zu den Figuren, die im Rahmen der Blockbuster-Möglichkeiten Tiefe bekommen. Nicht herausragend, aber auch nicht Durchschnitt. Mehr solcher Filme würden dem MCU guttun.
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    (André Masannek)
    03.05.2023
    13:20 Uhr
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