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  • Bewertung

    Meine Straße, mein Zuhause, mein Block

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2023
    Mit der Verfilmung von Felix Lobrechts Roman „Sonne und Beton“ wagt sich David Wnendt an eine Milieustudie über eine nie enden wollende Spirale der Gewalt.

    Für Lukas und seine Freunde ist das Leben in der Berliner Gropiusstadt nicht einfach. Schon wenn sie nur durch den Park spazieren gehen, laufen sie Gefahr in eine Schlägerei mit einer rivalisierenden Bande verwickelt zu werden. Aber auch sie selbst sind keine unbeschriebenen Blätter. Rauchen, Drogen und Klauen stehen an der Tagesordnung, die Schule wird fast gar nicht mehr besucht. Dabei ist Lukas eigentlich ein sehr guter Schüler; sein Lehrer sieht großes Potential in ihm. Als die Gang auch noch mit Geldproblemen zu kämpfen hat, planen sie den nächsten Coup …

    Lobrechts Roman soll ja teilweise autobiographisch geprägt sein. Was ihm passiert ist und was nicht, lässt er zwar offen, doch betont er, dass alles einem realen Vorbild entsprungen sei. Wnendt schafft es definitiv eine Geschichte auf die Leinwand zu bannen, die sich sehr real anfühlt. Berlin selbst ist ein Charakter. Und zwar einer, der nicht besonders gut weg kommt. Die Stadt bzw. zumindest der Ortsteil wird von Anfang an als Nährboden etabliert auf dem Gewalt entstehen kann, ja sogar muss. Und auch optisch wird sie nicht gerade von ihrer Schokoladenseite eingefangen. Der Beton im Titel repräsentiert die Abgeranztheit des Blocks, die Sonne die Sommerhitze die man spürt. Nicht einmal genug Geld, um dieser im Schwimmbad zu entfliehen ist da. Die Unterschicht wird mit ihren Problemen allein gelassen und selbst von der Polizei können sie kaum Hilfe erwarten.

    Weil alle in dieser knallharten Umgebung überleben und sich beweisen müssen, strahlen sie das natürlich auch nach außen hin ab. „Gesicht zerf*cken und Hurensöhne“, Sprache wie diese durchzieht den kompletten Film. Das kann selbstverständlich nerven, meiner Meinung nach braucht es das aber, um die Stimmung richtig einzufangen. Wie ein Geschwür, das wächst und wächst, wird die Gewalt weitergetragen, und droht auch das gesunde Gewebe zu vergiften. Hinter der Fassade von Idolen wie Lukas’ großem Bruder wartet meist selbst nur der Wunsch nach Sicherheit.

    Das Drama bewegt sich generell auf einem sehr schmalen Grat zwischen Glorifizierung und Abschreckung der Gangsterkultur. Nicht zuletzt natürlich durch die musikalische Untermalung mit jeder Menge dröhnendem Deutschrap (mit dem ich normalerweise privat überhaupt nichts anfangen kann, der aber hier wunderbar zur Atmosphäre beiträgt, und bei dem ich mich manchmal sogar beim Mitnicken erwischt habe). Dadurch wird er definitiv für Diskussionsstoff sorgen.

    Für mich positioniert er sich aber letztendlich auf der richtigen Seite. Man hat ständig das Gefühl, dass hier keiner so richtig gut aus der Sache rauskommen wird. In meinem Alter konnte ich da natürlich leichter differenzieren, auf Jugendliche könnte sich der Film aber schon problematisch auswirken. Entscheidend wird hier also sicher die richtige FSK-Freigabe sein.
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    (Markus Toth)
    22.02.2023
    15:15 Uhr