Exklusiv für Uncut
Georgia (Julia Roberts) und David (George Clooney) waren vor einem Vierteljahrhundert ein Ehepaar und bekamen ihre Tochter Lily (Kaitlyn Dever). Bald darauf folgte allerdings die Scheidung und seitdem sind sie spinnefeind und vermeiden den Kontakt soweit es geht. Nachdem aber eine Mail aus Bali eintrifft, in der Lily von ihrer überraschenden Verlobung berichtet, sind sich die beiden ausnahmsweise einmal einig: Das muss um jeden Preis verhindert werden! Sie machen sich – natürlich im selben Flugzeug, mit den Plätzen zufällig nebeneinander - sofort auf den Weg…
Wem die Prämisse - Überstürzte Hochzeit zweier junger Menschen in einem Urlaubsparadies, misstrauisch von den Eltern beäugt - bekannt vorkommt, dem sei anvertraut, dass Regisseur Ol Parker auch „Mamma Mia 2“ gedreht hat. „Ticket ins Paradies“ ist quasi die Rom-Com Version, ohne Musicalanleihen. Clooney und Roberts sind wirklich große Namen. Und vermissen tun wir das Genre, das vor mehr als 20 Jahren seine Hochblüte erlebte, doch alle irgendwie. Aber ist „Ticket ins Paradies“ der Anfang einer Wiederbelebung? Ich habe meine Zweifel.
Eine Rom-Com in den 2020er Jahren, quasi die Rom-Com 2.0. muss in erster Linie in unsere Zeit passen, so wie die Filme damals am Puls
ihrer Zeit waren. „Harry und Sally“ verhandelte die Frage: Können Frauen und Männer einfach nur befreundet sein. „Pretty Woman“ hat sich über das Thema Prostitution getraut; „Schlaflos in Seattle“ machte einen allerziehenden Vater auf Partnersuche zum Mittelpunkt, „Green Card“ eine vermeintliche Zweckheirat, „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ portraitierte eine Singlefrau ohne Modellmaße. Jeder dieser Filme vermittelte ganz viel Zeitgeist. Und das ist leider genau das, was „Ticket ins Paradies“ komplett fehlt. Im Jahr 2022 eine Geschichte zu erzählen, in der eine junge Frau gerade ihr Jus-Studium abgeschlossen hat, vor einer großen Karriere steht und diese nun aufgibt um 40 Tage nach dem Kennenlernen den Seegras-Farmer Gede (Maxime Bouttier) zu heiraten und auch Seegras-Farmerin zu werden, na ja.
Nichts gegen Seegras-Farmer und auch nichts dagegen, Entscheidungen zu überdenken: Es muss wahrlich nicht jede als Juristin glücklich werden. Aber 2022 nach einem guten Monat zu heiraten und nicht etwa einfach für ein Jahr auszusteigen und zu sehen, wie sich das Leben in Bali tatsächlich längerfristig anfühlt, zu überprüfen, wieviel man mit der großen Liebe (und das sind die meisten Lieben in den ersten 40 Tagen) tatsächlich verbindet, das wäre mutiger und feministischer und weniger Klischeebild einer Partnerschaft aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Wer kann es David verdenken, dass er Fragen stellt und sich Gedanken macht? Er will die Ehe nicht deshalb verhindern, weil seine gescheitert ist, sondern weil es tatsächlich absolut keinen Grund für eine
sofortige Hochzeit gibt.
Von einem so altbackenen Setting ausgehend, ist es natürlich schwer, eine spritzige Komödie zu inszenieren. Manches wirkt daher sehr artifiziell und arg bemüht - damit ist durchaus auch die Darstellung einer „typischen“ balinesischen Großfamilie gemeint, die etwas zu sehr nach Folklore aussieht. Einige Dialoge zünden trotz allem recht ordentlich. Zugutehalten kann man dem Film auch, dass Roberts und Clooney eine tolle Chemie miteinander und offenbar auch eine Menge Spaß zusammen hatten (siehe Outtakes!). Das junge Paar bleibt dagegen – wie oft in Komödien mit diesem Strickmuster – blass und eindimensional; die beste Freundin von Lily, Wren (Carrie Fishers Tochter Billie Lourd) dagegen ist ein „Typ“ und hat eine schöne Szene mit Clooney, in der sie spätnachts in der Hotelbar über das Leben und Beziehungen reden - und hier ist dem Regisseur zu danken, dass er auf semierotisch-aufgeladene Zwischentöne verzichtet. Für etwas Kitsch-Auflockerung sorgt auch Georgias devot-nerviger Boyfriend Paul (Lucas Bravo). Besonders nett fand ich persönlich die „Pretty Woman“-Hommage, als Julia Roberts in einer Szene in einem weißen Bademantel mit hochgesteckten Haaren vor ihren Bungalow tritt.
„Ticket ins Paradies“ ist eine klischierte Feelgood-Komödie mit motivierten Stars, die das Genre nicht neu erfindet und das vielleicht auch gar nicht will. Fazit: OK.